Michael Phelps erlebt durch die Corona-Pandemie die Hölle auf Erden. Depressionen und Ängste schütteln die Schwimmlegende regelrecht durch, wie er in einem Artikel auf ESPN selber schreibt.
«Es war einer dieser Monate. Nonstop hüpft meine Stimmung auf und ab und rundherum. Die Pandemie war eine der schlimmsten Zeiten, die ich durchgemacht habe», so Phelps. «So viele von uns kämpfen mehr denn je gegen ihre inneren Dämonen.» Er spricht mit seinen Worten die vielen anderen Leute an, die an Depressionen, Angst oder posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.
«Zeiten, in denen ich nicht mich selbst sein will.»
Die Einschränkungen im Alltag stellen sich für ihn als riesige Herausforderung heraus. «All die Unsicherheit, in einem Haus eingesperrt und so viele Fragen. (…) Es macht mich wahnsinnig», beschreibt der 34-Jährige. «Das ist das überwältigendste Gefühl, das ich je in meinem Leben hatte. Deshalb habe ich Zeiten, in denen ich nicht mich selbst sein will.»
Der Vater von drei Söhnen weiss dabei um seine privilegierte Lage. Seine Familie sei gesund, niemand müsse sich Sorgen um Geld oder Essen machen – im Gegensatz zu vielen anderen Familien. «Trotzdem habe ich zu kämpfen.»
Phelps ist mit 23 Goldmedaillen der mit Abstand erfolgreichste Olympionike aller Zeiten. Der Amerikaner spricht nicht zum ersten Mal über seine Depressionen. Schon vor den Olympischen Spielen in Rio packte er aus. «Es war nicht leicht zuzugeben, dass ich nicht perfekt war. Aber mich zu öffnen, nahm mir viel Gewicht von meinen Schultern. Es hat das Leben einfacher gemacht», erinnert sich Phelps.
Die Depressionen haben Phelps nie losgelassen. Das Thema anzusprechen, habe das Problem nicht einfach so gelöst. «Es geht nie weg», weiss er heute.
«Es gibt Zeiten, da fühle ich mich absolut nutzlos, in denen ich mich völlig abschalte, aber diesen sprudelnden Zorn habe, der durch das Dach geht. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mehr als einmal nur laut geschrien: Ich wünschte, ich wäre nicht ich!», beschreibt Phelps. Manchmal gebe es nur das überwältigende Gefühl, dass er damit nicht mehr umgehen könne. «Ich will dann nicht mehr ich sein.»
Ein immer währender Kampf gegen sich selber
Phelps hat gelernt, wie wichtig für ihn eine feste Struktur im Tagesablauf ist. Der tägliche Besuch im eigenen Fitnessstudio ist unerlässlich. «Wenn ich einen Tag verpasse, ist es eine Katastrophe. Dann gerate ich in ein negatives Denkmuster in meinem Kopf. Und wenn das passiert, bin ich der Einzige, der es aufhalten kann.»
Zwar verfüge er über Tricks, um da wieder rauszukommen. Doch das umzusetzen sei nicht einfach. Es sei ein immer währender Kampf gegen sich selber. «Du hast gute und schlechte Tage, aber es gibt nie eine Ziellinie.»
Neben einem strukturierten Tagesablauf hilft auch die Familie. «Es gibt Momente, in denen ich in meinem eigenen Kopf stecke, ich glaube nicht, dass es noch schlimmer werden kann», so Phelps. Und dann komme sein Sohn Boomer. «Mein Vierjähriger kommt auf mich zu, umarmt mich und sagt, dass er mich liebt. Wenn ich es absolut am wenigsten erwarte. Das ist buchstäblich das Grösste auf der Welt.»
500 Monate Gratis-Therapiestunden
Allzu oft geht Phelps diesen Momenten aber auch aus dem Weg. Wenn es wirklich schlimm werde, dann nehme er sich nämlich eine Auszeit, geht weg. «Ich möchte nicht, dass die Kinder mich so sehen. Also gehe ich für ein paar Minuten in mein Zimmer oder ins Büro oder in meinen Schrank», verrät Phelps. «Ich brauche nur eine ruhige Umgebung, um alleine zu denken und ruhig zu sein. In gewisser Weise, um mich zurücksetzen.»
Phelps will helfen. Nicht nur sich selbst, sondern auch anderen Menschen, die in ähnlichen Situation feststecken. Anfang Mai hat er darum nach eigenen Angaben 500 Monate Gratis-Therapiestunden an medizinisches Personal gespendet. Und jetzt öffnet er sich. «Ich will, dass die Leute wissen, dass sie nicht alleine sind. So viele von uns kämpfen nun härter denn je gegen ihre inneren Dämonen.» (sme)