«Im Schwimmen musst du schlank sein, um gut zu sein»
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Koch zum Synchronschwimmen:«Im Schwimmen musst du schlank sein, um gut zu sein»

Ex-Synchronschwimmerin Vivienne Koch
«Die beste Trainerin war bösartig. Alle wollten zu ihr!»

Angst! Drill! Erniedrigung! Das Synchronschwimmen in der Schweiz steht am Abgrund. «Jetzt zerstören sich alle gegenseitig», warnt Ex-Athletin Vivienne Koch. Die 22-Jährige spricht offen über breite Oberschenkel, böse Trainerinnen und gute Schmerzen.
Publiziert: 03.07.2022 um 12:06 Uhr
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Aktualisiert: 17.11.2022 um 12:54 Uhr
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Vivienne Koch zählte in den letzten Jahren zu den erfolgreichsten Synchronschwimmerinnen des Landes.
Foto: Getty Images
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Daniel LeuStv. Sportchef

Die Schlagzeilen waren heftig. «Von Tränen, Drill und Missgunst!» Oder: «Ich habe das Gefühl, in dieser Welt bist du kein Mensch!» Oder: «Zwischen Eleganz und Erniedrigung!» Diese Woche machte SRF Missstände im Schweizer Synchronschwimmen öffentlich. Zahlreiche ehemalige Athletinnen erzählten, wie sie gedemütigt, beleidigt, schikaniert wurden.

Auch Vivienne Koch war seit ihrem sechsten Lebensjahr Synchronschwimmerin. Sie nahm an Welt- und Europameisterschaften teil und wollte sich 2021 im Duett für die Olympischen Spiele von Tokio qualifizieren. Als dieser Traum platzte, trat die heute 22-Jährige zurück.

Jetzt sitzt sie in Grabs SG am Esstisch der Familie. Vor ihr liegen zahlreiche Blätter mit handgeschriebenen Notizen drauf.

Frau Koch, was dachten Sie, als Sie diese Woche all die Schlagzeilen lasen?
Vivienne Koch: Ich wusste im Vorfeld nichts davon, da ich mich nach meinem Rücktritt zurückgezogen hatte. All diese Vorwürfe stimmen und sind schlimm, sie sind aber nur ein Teil der Wahrheit. Diese ganzen Schuldzuweisungen sind nicht zielführend und lösen nicht ein einziges Problem. Das Ganze ist viel komplexer. Ich habe im letzten Jahr viel darüber nachgedacht. Ich möchte dieses Interview geben, um zu erklären, was wirklich schiefläuft. Dies ist meine Geschichte und meine Sicht. Ich möchte damit nicht sagen, dass die Geschichten der anderen falsch sind.

Warum wurden Sie eigentlich Synchronschwimmerin?
Weil ich gerne im Wasser bin, es liebe zu tanzen und Musik mag. Synchronschwimmen ist eine unglaublich faszinierende Sportart. Man bewegt sich im Wasser in allen Dimensionen. Das macht extrem viel Spass.

Wie oft haben Sie trainiert?
Früher sechsmal die Woche und bis zu 25 Stunden, vor der Olympia-Qualifikation gar bis zu 40 Stunden. Das war nur möglich, weil ich in Vaduz das Sportgymnasium besucht habe.

Sie zählten zur nationalen Spitze. Haben Sie etwas verdient?
Nein, im Gegenteil, du musst zahlen.

Das ist Vivienne Koch

Die heute 23-jährige Ostschweizerin repräsentierte die Schweiz mehrere Jahre im Duett und im Solo. Zwischen 2016 und 2020 nahm sie je zweimal an Welt- und Europameisterschaften teil.

Mit ihrer Partnerin Joelle Peschl verpasste sie die Qualifikation für Olympia 2021. Danach trat Koch zurück. Heute studiert sie Psychologie im 2. Semester.

Die heute 23-jährige Ostschweizerin repräsentierte die Schweiz mehrere Jahre im Duett und im Solo. Zwischen 2016 und 2020 nahm sie je zweimal an Welt- und Europameisterschaften teil.

Mit ihrer Partnerin Joelle Peschl verpasste sie die Qualifikation für Olympia 2021. Danach trat Koch zurück. Heute studiert sie Psychologie im 2. Semester.

Kommen wir zu den konkreten Vorwürfen. Im Schweizer Synchronschwimmen soll ein Klima der Angst herrschen.
Diese Fälle gibt es. Wenn du Pech hast, erwischst du eine solche Trainerin. Es gibt viele, die unglaubliche Arbeit leisten, aber zu oft fehlt es an Kompetenz, was zu grossen Fehlern führen kann. Ich kenne eine, bei welcher es besonders extrem war. Sie war sehr kompetent und die beste der Schweiz, aber wenn sie schlechte Laune hatte, war sie richtig bösartig.

Gut, aber bösartig – ein klassisches Dilemma.
Genau. Wir hatten zwar Angst vor ihr, wollten aber trotzdem dorthin, weil wir wussten, dass sie uns weiterbringen wird. Und stell dir mal vor, sie lobte dich. Ein einzelner Kommentar von ihr lässt dich so gut fühlen, dass all die Beleidigungen untergehen. Wenn eine Trainerin viel Einfluss hat, lässt man sich einiges gefallen. Wir sind alle sehr ehrgeizig und möchten Teil des Teams sein. Als Schwimmerin fühlst du dich komplett machtlos gegenüber dem Verband. Ich muss an der Stelle aber betonen, dass ich oft in einer privilegierteren Situation war als andere. Ich war etabliert, und die Trainerinnen konnten nicht auf meine Leistung verzichten.

Sie sprechen von den Teamwettkämpfen, die aus bis zu zehn Schwimmerinnen bestehen.
Wer dort Ersatz ist und sich nicht genug schnell weiterentwickelt, ist für die Trainerinnen Luft. Das ist schon brutal. Es gibt gewisse Schwimmerinnen, die für Jahre während den Trainings nicht gesehen werden. Es ist zu viel verlangt, dass eine junge Athletin dies nicht persönlich nimmt.

Wäre es nicht genau die Aufgabe der Trainerinnen, ihre Schützlinge besser zu machen?
Theoretisch ja, aber die Schweiz hinkt der ausländischen Konkurrenz hinterher. Wir haben weniger Geld und weniger Zeit, um uns auf wichtige Grossanlässe vorzubereiten. Wenn eine Schwimmerin zu wenig schnell lernt, ist sie draussen. Oder wenn die Trainerin das Gefühl hat, sie könnte im Wettkampf einen Fehler machen, ist sie ebenfalls draussen. Bei solchen Schwimmerinnen haben sich die Trainerinnen irgendwann gar nicht mehr gefragt, wie sie sie besser machen könnten, sondern sie einfach ignoriert. Dass dies für diese Abgehängten traumatisch sein kann, ist nachvollziehbar.

Der Grossteil der Trainerinnen stammt aus dem ehemaligen Ostblock oder aus Russland. Ist es auch eine Kulturfrage?
Viele sind in einem System aufgewachsen, in dem Widerrede nicht geduldet war. In dem man leiden musste, um an die Spitze zu gelangen. Die durften damals nie ihre Gefühle zeigen und wurden dadurch zu Robotern. Dass die das nun so weitergeben, ist daher nicht erstaunlich. Spricht man aber mit ihnen privat, sind sie liebevolle, lustige Menschen. Der Glaubenssatz «je mehr ich trainiere, umso besser» ist falsch. Unter dem leiden wir alle. Oft wandelt sich die Leidenschaft in Obsession. In dieser verlieren wir die Realität und spüren unsere Grenzen nicht mehr.

Ein weiterer Vorwurf: das gewaltsame Dehnen.
Auch mir standen und sassen die Trainerinnen auf die Beine und drückten mich zum Spagat runter. Was aber wichtig ist: Nur weil jemand auf dich steht, wirst du noch nicht automatisch misshandelt. Wird das richtig gemacht, dann hilft das. Wird es falsch gemacht, dann natürlich nicht. Und für mich gibt es auch einen Unterschied zwischen einem guten Schmerz, der dich weiterbringt, und einem schlechten, der dich kaputtmacht.

Naiv gefragt: Kann man in solchen Situationen nicht einfach Stopp sagen?
Klar, die Kommunikation ist das Wichtigste. Es gibt Schwimmerinnen, die sagten in solchen Momenten einmal leise Stopp. Doch die Trainerin machte einfach weiter. Danach haben die Athletinnen nie mehr etwas gesagt. Die Schwimmerinnen müssen verstehen, dass sie die Verantwortung für ihren Körper tragen und selbst mit den Konsequenzen leben müssen. Aber ein Nein muss immer akzeptiert werden und darf nicht als Faulheit gewertet werden. Zu sagen, wir sind alles Opfer und die Trainerinnen alles Täterinnen, ist zu kurz gegriffen. Ich sah zu viele, welche sich selbst kaputtgemacht haben.

Ein grosses Thema sind auch die Richterinnen, die gewisse Schwimmerinnen bevorzugen sollen.
Synchronschwimmen ist Kunst, es wird nicht in Sekunden oder Metern gemessen, sondern nach einem ungefähren Gesamteindruck. Das Problem fängt schon damit an, dass wir zu wenige Richter haben. Deshalb arbeiten Vertreter und Trainerinnen der einzelnen Klubs auch als Richter. Das ist natürlich wegen der Vetterliwirtschaft problematisch. Die Auswüchse, welche die politischen Motivationen beim Schweizerischen Richtersystem angenommen haben, sind viel zu offensichtlich. Das ist international übrigens nicht anders.

Weshalb ist es so schwierig, objektiv zu richten?
Weil gleichzeitig bis zu zehn Schwimmerinnen während drei Minuten unglaublich viele Bewegungen machen. Das sind zu viele Faktoren, um für einen unvoreingenommenen Menschen berechnen zu können. Das bietet viel Raum für Politik und Spekulationen. Was aber noch hinzukommt: Es ist natürlich bei einer Enttäuschung viel einfacher, die Schuld nur bei den Richtern zu sehen, als sich selbst einzugestehen, dass die anderen besser waren.

Die heftigsten Vorwürfe drehen sich ums Essen und ums Gewicht. Wurde Ihnen auch gesagt, dass Sie zu dick seien?
Ja klar, mal von einer Trainerin. Oder ein anderes Mal hat mir eine Trainerin von einem Richter ausrichten lassen, ich solle doch ein, zwei Kilos abnehmen.

Wann wurde Ihnen das zum ersten Mal gesagt?
Ich war lange Zeit ziemlich schlank. Doch mit 18 hat sich mein Körper verändert. Ich bekam breitere Oberschenkel, einen dickeren Po und auch ein paar Grämmli Fett am Bauch. Natürlich verletzen einen dann solche Kommentare. Natürlich schaut man sich dann seine Duett-Partnerin an und denkt sich: Shit, sie ist dünner als ich. Und da man die ganze Zeit im Badekleid ist, schaut man sich dauernd gegenseitig auf die Oberschenkel. Ein anderes Mal sagte man mir, ich hätte Cellulite.

Wie gingen Sie damit um?
Man riet mir, mit einer Cellulite-Bürste das Gewebe zu massieren. Was einem gesagt wird, muss gemacht werden. Heute weiss ich: Für die meisten wäre meine Haut normal, doch wir wollen die niemals endende Perfektion. Besonders extrem war es übrigens bei den Fotos.

Was meinen Sie?
Nach dem Wettkampf stehen alle Frauen auf einer Linie. Körper an Körper. Der ultimative Vergleich. Ich und auch andere haben dann auf den Fotos jeweils rangezoomt und geschaut, wer oben zwischen den Oberschenkeln den grössten Spalt, das grösste Loch hatte. Je grösser dein Spalt, desto besser hast du dich gefühlt.

Die Konsequenz daraus: Weniger essen, damit der Spalt grösser wird?
Genau, zumal das Gewicht in unserem Sport unglaublich zentral ist. Wenn du leichter bist, erbringst du tendenziell im Wasser bessere Leistungen. Das Ganze ist aber nicht nur ein Schweizer Problem. Die Weltbesten erzählen in Interviews offen, dass sie abends nichts essen dürfen. Ich bekam mal bei den Italienerinnen mit, wie die Trainerin sagte: «Wenn ihr bessere Noten möchtet, müsst ihr alle abnehmen. Eure Leistung wird dadurch nicht besser sein, eure Körper sehen jedoch länger aus.» Als ich die Schwimmerinnen zwei Monate später wieder sah, waren alle dünner. Die Folgen davon sind klar. Du denkst dir: Wow, das sind die Regeln dieses Sports. Wahrscheinlich sollte ich diese auch befolgen.

Und schon rutscht man in die Magersucht ab.
Beim Essen haben viele einander in den Teller geschaut. Auch die Trainerinnen. Ich habe zwar immer normal gegessen, hatte aber ein schlechtes Gewissen. Ich kenne viele mit Essstörungen bis hin zur Magersucht. Ein Beispiel: An einer WM gingen wir nach den Wettkämpfen alle zusammen in den McDonald’s. Zwei bekamen richtige Panikattacken, als sie auf der Verpackung lasen, wie viele Kalorien der Burger hat. Deswegen gingen wir alle in ein anderes Restaurant.

Was ebenfalls gefährlich ist: Viele Synchronschwimmerinnen sind noch sehr jung und wegen der Pubertät eh schon am Limit.
Das ist ein grosses Problem. Du bist auf der Suche nach deiner Identität und hast gleichzeitig so viel Stress, weil du gute Resultate haben willst. Weil du als Synchronschwimmerin kaum Zeit für anderes hast, lebst du in einer Bubble. Deine Leistung definiert deine ganze Person. Es ist die einzige Welt, die du kennst. Und deine Kolleginnen sind gleichzeitig auch deine Konkurrentinnen. Die Macht, die der Sport über dich hat, ist unglaublich gross. Wenn du wenige Freunde ausserhalb des Sports hast, besteht die Gefahr, sich dafür aufzugeben.

Wäre es nicht genau hier die Aufgabe des Verbands, den Schwimmerinnen zu helfen und sie auf die Gefahren aufmerksam zu machen?
Klar, das haben sie teilweise auch gemacht. Dann gab es halt mal ein Seminar über Essstörungen. Wir hatten auch eine Ernährungsberaterin. Doch erst nach grossen Vorfällen. Der Druck von der Gesellschaft und zudem noch dieser Sport – das ist zu viel. Wir brauchen präventive Massnahmen. Es ist ein Tabu-Thema. Es geht viel zu lange, bis jemand von aussen handelt. Schwimmerinnen und Trainerinnen sind von den gleichen zerstörerischen Gedanken geplagt. Es muss einen Weg geben, dies zu stoppen. Ich glaube, dafür braucht es alle.

Was meinen Sie mit dem Druck der Gesellschaft?
Social Media ist ein grosses Problem in unserer Gesellschaft. Alle wollen schön und schlank sein. Es ist für uns normal, im Badekleid zu sein und so präsentieren wir uns auch in den sozialen Medien. Man wird gesehen und bekommt Likes und Bestätigung. Sind wir ehrlich: Die meisten Leute folgen uns nicht, um einen Baraccuda oder Bodyboost zu sehen.

Manch einer denkt jetzt vielleicht: Warum klagen all diese Schwimmerinnen jetzt an? Das ist halt Spitzensport. Haben diese Leute recht?
Ja und nein. Ja, es ist ein Spitzensport. Und dazu gehören auch Schmerzen und die Tatsache, dass man manchmal nicht erfolgreich ist. Nein, weil es für alles eine Grenze gibt. Eine Trainerin hat so viel Macht über dich. Ein falsches Wort von ihr kann so viel auslösen in dir und dir so wehtun.

Die entscheidende Frage jetzt lautet: Wie lassen sich diese Probleme lösen?
Ganz sicher nicht so wie bei den Rhythmischen Sportgymnastinnen.

Zur Erklärung: Im vergangenen Jahr kam aus, dass auch dort Missstände herrschen. Daraufhin wurden die Gelder gestrichen.
Genau das ist der falsche Weg. Es braucht mehr Geld, doch ich habe Angst, dass nach dieser Woche leider das Gegenteil passieren wird. Als Strafe das Geld zu entziehen, ist nicht zielführend. Leider ist das Bild nach den letzten Tagen verheerend: Wir sind die verletzten Schwimmerinnen, die zwar schön aussehen, aber an unserem Sport kaputtgehen. Unsere Grundmotivation war aber einst eine andere: Es war die Liebe zu diesem wunderbaren Sport.

Was müsste aus Ihrer Sicht denn konkret geändert werden?
Es braucht Psychologen. Es braucht Schwimmerinnen, die ihren Trainerinnen erzählen, wenn sie verletzt sind und es nicht verschweigen. Es braucht einen kompletten Kulturwandel und eine neue Aussensicht. Es braucht mehr finanzielle Ressourcen. Es braucht Grenzen, über die keine Trainerin gehen darf. Und ja, der Verband muss neu aufgestellt werden, professioneller. Und fast das Wichtigste: Die gegenseitigen Schuldzuweisungen müssen aufhören.

Warum?
Sie zerstören sich so alle gegenseitig und damit auch ihre Sportart, die sie eigentlich lieben. Dabei verstehen sie nicht, dass sie alle gemeinsam im gleichen Boot sitzen.

Sie sind vor einem Jahr zurückgetreten. War das nötig, um nicht zugrunde zu gehen?
Ja, ich habe gemerkt, wie meine Lebensfreude verschwand. Ich war komplett überfordert mit den Anforderungen, die ich hätte erfüllen sollen, und verlor teils auch die Leidenschaft. Ich merkte, dass andere Züge meiner Persönlichkeit keinen Platz mehr hatten. Ich versuchte, viel Freude in Büchern und der Kunst zu finden. Ich brauchte etwas, was ich liebte und was mir zeigte, wer ich auch neben dem Sport bin. Wenn man verletzt ist und am Ende seiner Kräfte ist, ist es schwierig, die positiven Dinge zu sehen und daran zu denken, weshalb man eigentlich mit dem Synchronschwimmen angefangen hat. Nämlich aus Faszination und Leidenschaft. Für Aussenstehende ist das schwer zu verstehen, doch wenn man völlig in diesen Sport eintaucht, ist das wie eine Droge.

Sie haben in der Zeit viel gemalt. Was dabei auffällt: Auf Ihren Bildern sind die Frauen fast alle nackt und sehr schlank. Warum?
Das ist wohl unterbewusst passiert. Mir gefallen nackte Körper, weil sie die Verletzlichkeit darstellen. Ich glaube, ich habe das Bild der schlanken Frau so tief in mir verankert, dass ich gar nicht anders malen konnte. Rückblickend war es fast schon zwanghaft. Das Projekt war ein Verarbeitungsprozess, in dem ich mich den Gefühlen stellte und ihnen eine andere Form gab. Heute würde ich aber anders malen.

Wie?
Ich habe diese negativen Gefühle nicht mehr in mir. Ich renne nicht mehr dem perfekten Bild nach, ich bin mittlerweile mehr fasziniert von Farben und der Natur. Von der Echtheit und nicht mehr von einem Idealbild. Diese ganze Glitzer-Show-Welt des Synchronschwimmens, sie ist nicht mehr meine.

Sie studieren mittlerweile Psychologie. Ein Zufall?
Nein, ich war die ganze Zeit konfrontiert mit Personen, die Sachen machten, die ich nicht verstehen konnte. Ich wollte das nachvollziehen können. Deshalb wohl mein Studium.

Identität ist ein wichtiges Thema für Sie. Wer sind Sie heute?
Ich bin mittlerweile ziemlich weit weg vom Synchronschwimmen. Ich habe sehr viel gelernt dank des Spitzensports und sehe auch, wie stark er mich machte. Ich liebe es, alles zu entdecken und bin unglaublich dankbar für die vielen Möglichkeiten, welche das Leben bringt. Doch es braucht Zeit, und alte Denkmuster holen mich ständig ein.

Können Sie sich heute entspannt im Spiegel anschauen?
Es gibt Tage, da denke ich: Ich bin zu dick. Und dann gibt es Tage, an denen ich denke: Wow, eigentlich bin ich wunderschön. Analysiert man das, merkt man: Das macht gar keinen Sinn, ich bin ja an beiden Tagen die gleiche Person mit dem gleichen Körper.

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