«Ziel ist es, eine Medaille nach Hause zu bringen»
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Fuchs vor der Reit-WM:«Ziel ist es, eine Medaille nach Hause zu bringen»

Springreiter Martin Fuchs im Fokus der Tierschützer
«Wir kümmern uns besser um die Pferde als um uns selbst»

Martin Fuchs (30) zählt zu den besten Springreitern der Welt. Nun peilt er die nächste WM-Medaille an. Just vor diesem Höhepunkt geriet er in den Fokus von Tierschützern. Fuchs sagt, warum ihn das nicht beschäftigt. Und spricht über Schock-Momente und grosse Gefühle.
Publiziert: 09.08.2022 um 01:45 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2022 um 14:51 Uhr
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Der Zürcher Oberländer Springreiter Martin Fuchs ist derzeit die Weltnummer 2.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Nicole Vandenbrouck

Martin Fuchs, Sie haben ein ereignisreiches Jahr hinter sich, viel ist passiert seit der Enttäuschung bei Olympia. Was hat Sie am meisten berührt?
Das stimmt, es war wirklich ein sehr ereignisreiches Jahr. Der grosse Schock für mich war vor einem Jahr die Verletzung von Clooney und seine Verabschiedung in den Ruhestand. Einerseits war es extrem schmerzvoll, beängstigend und verunsichernd für mich. Andererseits war es extrem schön zu sehen, dass wir ihn nach der schlimmen Verletzung retten konnten, er unter dem Sattel wieder leicht getrabt und galoppiert werden kann. Und dass er sein Weide-Rentnerleben nun geniessen kann.

Wie hat Sie das geprägt?
Ich habe in den letzten acht Monaten menschlich viel gelernt. Ich war auf vielen Turnieren, jedes Wochenende stand der Erfolg im Vordergrund. Ich habe mir vorgenommen, Auszeiten zu nehmen, mehr auf mich zu achten, auch mal ein Turnier auszulassen und stattdessen in die Ferien zu fahren. Meinen 30. Geburtstag habe ich im Engadin gefeiert. Das hätte ich in den letzten Jahren vermutlich nicht gemacht, weil ich einem Concours den Vorrang gegeben hätte. Mir ist klar geworden, dass ich nicht überall dabei sein muss und ich mich auch mal zurückziehen kann. Und ich habe angefangen, Bücher zu lesen, das schätze ich nun sehr.

Haben Sie die sportlichen Erfolge wie die EM-Medaillen oder der Weltcup-Sieg darüber hinweg getröstet, dass Sie Ihren Liebling Clooney aus dem Sport verabschieden mussten?
Nein, Erfolge sind kein Trost dafür. Ich brauche auch keinen Trost mehr, weil ich auf eine wunderschöne Zeit mit ihm zurückschaue. Ich habe keine schlechten Gedanken mehr an seinen Weideunfall, sondern bin einfach froh und dankbar, dass er jetzt noch ein schönes Leben hat.

Wie hat er auf Ihren kürzlichen Besuch reagiert?
Ich war sehr nervös. Wir hatten ein Kamerateam dabei, weil wir ein Abschiedsvideo drehen. Dafür musste ich auf die Weide laufen und Clooney war ziemlich weit weg. Ich war mir fast sicher, dass er einfach weiter grasen wird. Ich habe ihn gerufen und bin auf ihn zugelaufen, dann dreht er sich um, schaut zu mir und läuft zu mir. Dieser Moment war so schön und speziell, ich hatte Gänsehaut. Auch jetzt wieder. (Er schaut die Bilder auf dem Handy an.) Normalerweise bringt man ihn vom Fressen nicht weg.

Ihr letzter grosser Ritt in seinem Sattel war bei Olympia in Tokio, bleibt das in spezieller Erinnerung?
Im Einzelfinal hatte ich riesige Freude an Clooney, aber ich bin schlecht geritten, habe Fehlentscheide getroffen und war extrem enttäuscht von mir. Aber er war topfit und bereit für eine Medaille. So schaue ich darauf zurück.

Damals spürten Sie grossen Druck, nahmen die Hilfe eines Mentaltrainers in Anspruch. Hat Sie das langfristig gestärkt?
Ich habe mich in Tokio nur mit Jörg Wetzel (Sportpsychologe von Swiss Olympic, die Red.) getroffen, weil ich zum ersten Mal ziemlich nervös war und schlecht geschlafen hatte. Er gab mir gute Tipps. Schlussendlich unterlief mir trotzdem ein Reiterfehler, aber ich konnte viel mitnehmen aus den Gesprächen. Würde ich nun wieder mal in eine gleiche Situation geraten, zum Beispiel an der WM, könnte ich sie anwenden. Aber seit Olympia war ich nie mehr so nervös oder verbissen. Ich weiss, dass keine Welt zusammenbricht, wenn mal etwas nicht klappt.

Reiten Sie deshalb seither an grossen Turnieren so stark? Danach folgten Erfolge an der EM, der Weltcup-Triumph, der Nationenpreis-Sieg in St. Gallen, zuletzt der GP-Sieg in Dinard.
Ich habe mit Leone Jei, Conner Jei, Chaplin, The Sinner und Commissar Pezi sehr gute Pferde. Die Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren mit Clooney sammeln durfte, helfen mir extrem. Mit ihm war ich in so vielen Stechen. Nun bin ich soweit, dass ich immer auf Sieg reite, sobald ich im Stechen bin. Mein Selbstvertrauen ist gestärkt, das Vertrauen in die Pferde gross.

Ein gutes Zeichen für die WM?
Ja, Leone Jei war an der EM letztes Jahr schon stark (Gold mit dem Team, Silber im Einzel, die Red.), darum habe ich auch ein gutes Gefühl für die WM. Der GP-Sieg in Dinard war wichtig, denn davor war ich in sechs oder sieben Grossen Preisen und wir hatten immer einen Fehler. Dass wir vor der WM nun nochmals geliefert haben, war auch gut fürs Selbstvertrauen. Leone Jei ist immer so motiviert und will alles geben, das ist seine Persönlichkeit, die schätze ich.

Springreit-WM in Herning:Modus und Programm

Der Modus

Die besten drei Resultate der vier Reiter zählen für die Nationenwertung. Im Gegensatz zum letzten Olympia-Turnier gibt es an der WM ein Streichresultat.

In einem ausgeklügelten Zählsystem werden die Punkte aus allen fünf Wertungsprüfungen von jedem Reiter mitgenommen. Jener, der am Sonntagabend die wenigsten Punkte auf seinem Konto hat, ist Weltmeister.

In den Team-Final vom Freitag schaffen es die besten zehn Nationen. Zudem sind die 60 besten Einzelreiter zugelassen.

Im Einzel-Final vom Sonntag werden zwei Umgänge geritten. In der ersten Runde messen sich die besten 25 Reiter der drei vorangegangenen Prüfungen. Um die Medaillen im zweiten Umgang reiten noch die besten zwölf Reiter.

Das Programm

Freitag, 12. August: Team-Final (Einzel 3. Runde), 21.00 bis 23.30 Uhr (live auf SRF2)
Sonntag, 14. August: Einzel-Final, 2 Umgänge, 14.00 bis 17.00 Uhr, (live auf SRF Info)

Der Modus

Die besten drei Resultate der vier Reiter zählen für die Nationenwertung. Im Gegensatz zum letzten Olympia-Turnier gibt es an der WM ein Streichresultat.

In einem ausgeklügelten Zählsystem werden die Punkte aus allen fünf Wertungsprüfungen von jedem Reiter mitgenommen. Jener, der am Sonntagabend die wenigsten Punkte auf seinem Konto hat, ist Weltmeister.

In den Team-Final vom Freitag schaffen es die besten zehn Nationen. Zudem sind die 60 besten Einzelreiter zugelassen.

Im Einzel-Final vom Sonntag werden zwei Umgänge geritten. In der ersten Runde messen sich die besten 25 Reiter der drei vorangegangenen Prüfungen. Um die Medaillen im zweiten Umgang reiten noch die besten zwölf Reiter.

Das Programm

Freitag, 12. August: Team-Final (Einzel 3. Runde), 21.00 bis 23.30 Uhr (live auf SRF2)
Sonntag, 14. August: Einzel-Final, 2 Umgänge, 14.00 bis 17.00 Uhr, (live auf SRF Info)

Sie waren bis Anfang August für vier Monate wieder die Nummer 1 der Welt, was bedeutet das für Sie?
Ich war nicht mehr so fixiert darauf wie noch vor zwei Jahren, als ich erstmals die Nummer 1 wurde. Mir war bewusst, wenn ich für die Pferde und mich die richtigen Turniere aussuche, dass es früher oder später wieder klappen kann. Ich bin stolz, es ist eine Genugtuung. Und eine Bestätigung für die gute Arbeit von meinem Umfeld und mir. Das Speziellste für mich ist aber, dass ich schon seit vier Jahren immer in den Top4 der Welt bin.

Fühlten Sie sich als Nummer 1 noch stärker im Mittelpunkt?
Nein. Was in unserem Sport allerdings schwierig ist, für Laien zu verstehen, dass die Nummer eins nicht immer gewinnt. In anderen Sportarten wie Tennis gewinnt die Nummer eins 90 Prozent der Spiele, im Reiten gewinnt die Nummer eins vielleicht zehn Prozent der Starts. Man landet auch mal auf dem 30. Platz.

Aber unter Beobachtung? Sie wurden kürzlich angeprangert für einen Ritt im April in Linz…
Das hat nichts mit der Nummer 1 zu tun, sondern wohl eher mit meinem Aufgebot für die WM. Nach meiner Nomination schrieb diese Stiftung dem Verband, wie er reagieren würde.

Gab es denn nun diese Anzeige der «Stiftung für das Tier im Recht»?
Das hiess es, aber ich habe nie eine Anzeige bekommen. Ich denke, die wollten nur bezwecken, dass die Leute aufhorchen. Das Video war entsprechend geschnitten, dass man danach nicht mehr gesehen hat, wie ich den Parcours ruhig zu Ende geritten bin. Man wollte wohl einfach Aufmerksamkeit in den Medien. Das war zwar sehr mühsam, hat mich aber nicht weiter beschäftigt, da ich weiss, wie gut es meine Pferde haben. Ihr Wohlbefinden steht immer an oberster Stelle. Nur so kann diese spezielle Verbindung entstehen, die ich mit meinen Pferden habe. Der Weltverband sowie unser Schweizer Verband haben sich umgehend hinter mich gestellt und klargestellt, dass ich nichts falsch gemacht habe.

Dafür wird Fuchs angeprangert

Beim CSI Linz (Ö) geriet Martin Fuchs im Parcours in eine brenzlige Situation, als sein Wallach Viper in einer Ecke ausbrechen wollte und auf die Hinterbeine stieg. Der 30-Jährige machte von der Gerte Gebrauch, um sein Pferd nach vorne zu korrigieren. Für diese Aktion, so vermeldete die Schweizer Tierschutzorganisation «Stiftung für das Tier im Recht», habe man in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Tierschutzverein Anzeige gegen Fuchs eingereicht.

Der Springreiter selbst betont jedoch, dass bei ihm keine Anzeige eingegangen sei. Nach dem Vorfall meldete er sich damals aktiv bei der Turnier-Jury in Linz, die Verständnis für sein Vorgehen zeigte. Auch der Weltverband FEI sowie der nationale Verband SVPS stellten sich hinter den Springreiter und liessen verlauten, dass es sich um keine Regelwidrigkeit handle.

Fuchs und Viper haben den Parcours anschliessend ruhig absolviert, das jedoch wurde von der «Stiftung für das Tier im Recht» aus ihrer gezeigten Video-Sequenz geschnitten.

Den Verdacht, drei Monate nach besagtem Turnier nun bewusst vor der Weltmeisterschaft Aufmerksamkeit zu wollen, kommentiert die «Stiftung für das Tier im Recht» in der «Pferdewoche» so: Der Zeitpunkt wurde nicht bewusst gewählt, vielmehr waren die Abklärungen zu dem Fall langwierig.» (N.V.)

Beim CSI Linz (Ö) geriet Martin Fuchs im Parcours in eine brenzlige Situation, als sein Wallach Viper in einer Ecke ausbrechen wollte und auf die Hinterbeine stieg. Der 30-Jährige machte von der Gerte Gebrauch, um sein Pferd nach vorne zu korrigieren. Für diese Aktion, so vermeldete die Schweizer Tierschutzorganisation «Stiftung für das Tier im Recht», habe man in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Tierschutzverein Anzeige gegen Fuchs eingereicht.

Der Springreiter selbst betont jedoch, dass bei ihm keine Anzeige eingegangen sei. Nach dem Vorfall meldete er sich damals aktiv bei der Turnier-Jury in Linz, die Verständnis für sein Vorgehen zeigte. Auch der Weltverband FEI sowie der nationale Verband SVPS stellten sich hinter den Springreiter und liessen verlauten, dass es sich um keine Regelwidrigkeit handle.

Fuchs und Viper haben den Parcours anschliessend ruhig absolviert, das jedoch wurde von der «Stiftung für das Tier im Recht» aus ihrer gezeigten Video-Sequenz geschnitten.

Den Verdacht, drei Monate nach besagtem Turnier nun bewusst vor der Weltmeisterschaft Aufmerksamkeit zu wollen, kommentiert die «Stiftung für das Tier im Recht» in der «Pferdewoche» so: Der Zeitpunkt wurde nicht bewusst gewählt, vielmehr waren die Abklärungen zu dem Fall langwierig.» (N.V.)

Der Reitsport ist vermehrt im Fokus von Tierschützern. Denken Sie, das hat hauptsächlich mit den Sozialen Medien zu tun?
Der Reitsport war schon immer in deren Fokus, aber ja, seit den Sozialen Medien bekommt man es einfach viel mehr mit. Was mich in meinem Fall sehr befremdet, wie gemein junge Menschen auf Social Media in ihren Kommentaren sind. Mir würde es nie in den Sinn kommen, einem Fremden so etwas zu schreiben.

Bekommt man als Reiter das Gefühl, dass man sich grundsätzlich rechtfertigen muss für seinen Beruf?
Nein, nicht unbedingt. Diejenigen, die gegen den Reitsport sind und ihn schlecht finden, sind es sowieso. Egal, was wir dazu sagen. Ich versuche einfach, aufzuklären, wie es aus sportlicher und professioneller Sicht war. Das habe ich da in Linz nach dem Parcours auch gleich bei der Turnier-Jury gemacht und sie zeigte Verständnis. Wir stellen die Pferde immer in den Vordergrund und kümmern uns besser um sie als um uns selbst. Wenn es jedem Menschen auf der Welt so gut gehen würde wie meinen Pferden, dann gäbe es keine Probleme mehr.

Wie würden Sie einem Laien die Bindung beschreiben, die sich zwischen Ihnen und einem Pferd entwickelt?
Es ist ein Prozess, eine Beziehung, freundschaftlich, kollegial, fast schon familiär mit den Toppferden, die man länger im Beritt hat. Ein gegenseitiges Vertrauen, das immer intensiver wird. Zwischen Clooney und mir war es sogar ein blindes Vertrauen. Ich wusste, was er kann. Er wusste, was ich von ihm abfrage funktioniert.

Sie feierten unlängst Ihren 30. Geburtstag. Wenn Sie an Ihr 20-jähriges Ich denken – wie haben Sie sich verändert?
Ich bin weniger im Aussen und mehr im Innen. Ich muss nicht mehr für alle anderen der Held sein, sondern tue lieber mir selber etwas Gutes.

Martin Fuchs persönlich

Martin Fuchs hat im August nach vier Monaten die Weltnummer 1 wieder abgegeben, ist aktuell die Nummer 2 der Springreiter. Bereits 2020 stand er schon mal an der Spitze. Der 30-Jährige reitet seit einem Jahrzehnt immer wieder zu grossen Erfolgen. An Elite-Europameisterschaften heimste der Zürcher Oberländer, der seit sechs Jahren seinen eigenen Hof in Wängi TG führt, fünf Medaillen ein (drei mit dem Team, zwei Einzel). 2019 wurde Fuchs auf Clooney Europameister, 2021 wars dann EM-Gold mit der Mannschaft. An der WM 2018 gewann er mit Silber nebst Steve Guerdat (40, Bronze) die erste Schweizer WM-Einzelmedaille (auch auf Clooney). Fuchs ist mit US-Springreiterin Paris Sellon liiert, die bei ihm lebt. Sein Vater Thomas Fuchs (65) ist sein persönlicher Trainer sowie jener der Schweizer Equipe.

Springreiter Martin Fuchs.
Benjamin Soland

Martin Fuchs hat im August nach vier Monaten die Weltnummer 1 wieder abgegeben, ist aktuell die Nummer 2 der Springreiter. Bereits 2020 stand er schon mal an der Spitze. Der 30-Jährige reitet seit einem Jahrzehnt immer wieder zu grossen Erfolgen. An Elite-Europameisterschaften heimste der Zürcher Oberländer, der seit sechs Jahren seinen eigenen Hof in Wängi TG führt, fünf Medaillen ein (drei mit dem Team, zwei Einzel). 2019 wurde Fuchs auf Clooney Europameister, 2021 wars dann EM-Gold mit der Mannschaft. An der WM 2018 gewann er mit Silber nebst Steve Guerdat (40, Bronze) die erste Schweizer WM-Einzelmedaille (auch auf Clooney). Fuchs ist mit US-Springreiterin Paris Sellon liiert, die bei ihm lebt. Sein Vater Thomas Fuchs (65) ist sein persönlicher Trainer sowie jener der Schweizer Equipe.

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