Quarantäne, Blutproben, Fiebermessen
Unvorstellbarer Aufwand für die Olympia-Pferde

Quarantäne für die Pferde, Heu-Proben aus den USA, Viren-Tests und tägliches Fiebermessen bei den Vierbeinern. Welch immenser Aufwand das Olympia-Abenteuer bedeutet, ist für Pferdesport-Laien kaum vorstellbar. Ein Einblick in die Tokio-Vorbereitungen.
Publiziert: 14.07.2021 um 18:28 Uhr
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Die Stute Dsarie von Springreiter Beat Mändli wird am Freitag in Quarantäne gehen.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Nicole Vandenbrouck

Clooney, Venard de Cerisy, Dsarie und Twentytwo des Biches müssen vor ihrem Abflug nach Tokio in Quarantäne. Es sind die Olympia-Pferde unserer vier selektionierten Springreiter Martin Fuchs, Steve Guerdat, Beat Mändli und Bryan Balsiger. Das ist nur eine der unzähligen Vorgaben, die der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) erfüllen muss.

Für die Olympia-Logistik zuständig ist SVPS-Sportmanagerin Evelyne Niklaus. Bestimmt schon über 1000 Formulare hat die Bernerin dafür ausgefüllt. Die Arbeitsstunden, die beim Verband bisher für diese Olympischen Spiele aufgewendet worden sind, beziffert sie ebenfalls mit 1000. Denn was bei den Vorbereitungen im Zusammenhang mit den Vierbeinern alles bedacht werden muss, kann sich ein Pferdesport-Laie kaum vorstellen.

Die Quarantäne

Am Freitag rücken diese vier Olympia-Springpferde in die Quarantäne ein. Auf einer Reitanlage irgendwo in der Schweiz, wo wird nicht verraten. «Nicht, weil wir etwas zu verheimlichen hätten», so Niklaus, «sondern aufgrund der strengen Bestimmungen für diese Bubble.» So sollen Besucher und Zuschauer vermieden werden, die allfällige Kontrolleure des Olympia-Komitees beanstanden könnten.

Die weiteren sechs nominierten Olympia-Pferde (1 Dressur, 4 Concours Complet, 1 Para-Dressur) werden ihre Quarantäne in Aachen (De) absolvieren. Für die Springpferde wurde jedoch eine Lösung in der Schweiz gesucht, auch damit die Springreiter sie in den Tagen vor dem Abflug besser trainieren können.

Auch hierfür sind die Vorgaben strikt. Vor dem Einrücken muss das Material gereinigt und desinfiziert werden. In die Bubble dürfen nur die Pferdepfleger (die sogenannten Grooms bleiben auf der Anlage und schlafen in den Transportern), die Trainer und die Reiter selbst. Letztere müssen einen Zeitplan einhalten, der besagt, wer wann sein Pferd bewegt.

Insgesamt werden es acht bis zehn Vierbeiner in dieser Bubble sein. Denn auch die Ersatzpferde müssen die Quarantäne durchmachen. Welche es von der im Juni festgelegten Longlist sein werden, wird erst nach diesem Turnier-Wochenende bestimmt. Am 24. Juli werden die vier Olympia-Pferde direkt aus der Quarantäne nach Lüttich (Be) transportiert, von wo sie die lange Flugreise antreten.

Tiermedizinische Vorkehrungen

Die Reiter werden auf Corona getestet – die Pferde gleich auf mehrere Krankheiten. Bereits rund einen Monat vor der Abreise startete die erste, detailliert koordinierte Testphase. Verbandsveterinär Thomas Wagner musste bei jedem der in Frage kommenden Pferde vorgegebene Proben vornehmen.

Mittels Bluttest wurden sie auf Piroplasmose (Infektion der roten Blutkörperchen mit kleinen parasitären Erregern) und Coggins (ansteckende Blutarmut) überprüft. Mit einem Stäbchentest in den Nüstern auf Influenza (Virus-Erkrankung des gesamten Atmungsapparates). Diese drei Tests müssen auch während der Quarantäne nochmals vorgenommen werden.

Der heftige Ausbruch des tödlichen equinen Herpes-Virus im Februar hat zur Folge, dass bei den Olympia-Pferden ab zehn Tagen vor und während der Quarantäne zweimal pro Tag Fieber gemessen werden muss. Bei erhöhter Temperatur müsste ein entsprechender Test durchgeführt werden.

Die entsprechenden Daten und Ergebnisse landen bei Niklaus und müssen von ihr und ihren Mitarbeitern online auf einer Plattform eingetragen werden. Dort besteht pro Olympia-Pferd ein Dossier. Dieses muss nebst dem Scan des Pferde- sowie Impf-Passes auch eine genaue Material- und Futterliste enthalten. Ein grosser Aufwand in dieser komplexen Vorbereitung. «Manchmal hatte ich Angst, dass in diesem Formular-Dschungel etwas untergeht oder wir eine Frist verpassen, die kurzfristig geändert wurde», erzählt Niklaus.

Futter und Material

Heu darf eigentlich nicht nach Japan importiert werden. Doch weil das Land keine ausreichenden Heu-Vorräte hat, um den Bedarf aller Olympia-Pferde abzudecken, wird es aus den USA eingeflogen. Die Firma Anderson ist zusammen mit Kentucky Equine Research seit einigen Olympia-Austragungen und Weltreiterspielen der Heu-Lieferant.

Weil sich das amerikanische Heu in der Zusammensetzung deutlich vom europäischen unterscheidet, haben der SVPS wie auch andere europäische Verbände vorgesorgt und sich vorgängig Heu-Rationen liefern lassen. In die Schweiz waren dies 38 Ballen à 20 bis 22 Kilogramm. Diese wurden an die möglichen Olympia-Pferde verteilt, damit sie bereits vor und spätestens während der Quarantäne damit angefüttert werden können. Ob und wie sie das benötigen, ist von Pferd zu Pferd unterschiedlich.

Weil die Reiter auf unterschiedliche Kraftfutter vertrauen, musste der SVPS deren Inhaltsstoffe nach Japan durchgeben und es bewilligen lassen. Pro Pferd wird 150 Kilo Kraftfutter mitgenommen. Zudem kommt an Material so einiges zusammen, 250 Kilo pro Pferd sind erlaubt. Darin inkludiert sind Reitutensilien wie Sattel, Zäume, Decken, Reserve-Hufeisen und vieles mehr.

Die Schmiedekiste des Delegations-Hufschmieds allein wiegt bereits 40 Kilo. Weiter muss Niklaus zum Beispiel auch an einen Kühlschrank und eine Gefriertruhe denken für die Kühlgamaschen. Oder Medikamente und Boxen-Vorhänge für die Stallungen. «Und eine Kaffeemaschine für den Stalltrakt darf natürlich nicht fehlen», schmunzelt sie.

Der Flug

Insgesamt dauert der Sammel-Flug von Lüttich nach Tokio für die Pferde rund 18 Stunden. In Dubai wird ein Tankstopp eingelegt. Jeweils ein Pfleger fliegt mit den Vierbeinern, die anderen Grooms reisen voraus, um die Boxen vor Ort einzurichten. Die Pferde sollten um 1.45 Uhr Ortszeit in Japan landen und nach dem Importprozedere am Flughafen zwischen 5 und 6 Uhr morgens im Stall im Equestrian Park eintreffen. Wer diese Anreise als Tortur abtun könnte, kann Niklaus beruhigen: «Für Pferde ist das Fliegen angenehmer als eine lange Fahrt im LKW.»

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