Seine Stimme zittert, die Tränen kann er nicht zurückhalten. Lange hat Steve Guerdat auf diesen Moment gewartet. Der Welt erzählen zu können, wie emotional belastend die letzten neun Wochen für ihn waren. Ein Albtraum, der sein Leben verändert hat. «Es tat sehr weh, mein Umfeld so leiden zu sehen. Meine Eltern, meine Freunde, ich sah sie mit traurigen Augen. Das war sehr hart.»
Nicht nur deshalb tat Guerdat in den vergangenen Wochen alles, um seine Unschuld zu beweisen. Mit Erfolg. Die verbotenen schmerzstillenden Substanzen, die bei seinen Pferden Nino des Buissonnets und Nasa im Mai am Turnier in La Baule (Fr) festgestellt wurden, konnten eindeutig verunreinigten Futtermitteln zugeordnet werden.
Beim Internationalen Verband FEI erwirkte er zudem eine Vereinbarung, die seine Unschuld ausdrücklich bestätigt und ein drohendes langwieriges Verfahren verhindert. «Ich hätte die Kraft nicht gehabt, dies noch Jahre weiterzuziehen.» Verständlich, denn schliesslich sind ähnliche Fälle aus dem letzten Jahr bis heute hängig.
Der Preis, den er dafür zahlt, ist allerdings hoch: Guerdat muss akzeptieren, dass er für das Turnier in La Baule rückwirkend disqualifiziert wird. Den Grand-Prix-Sieg muss er abtreten und die rund 70 000 Franken Preisgeld zurückgeben. Eigentlich absurd, aber nach dem derzeitigen FEI-Reglement unausweichlich. «Die Reglemente sehen dies vor, wenn verbotene Substanzen bei Pferden gefunden werden», erklärt FEI-Chef-Jurist Mikael Rentsch.
Das Unverständliche dabei: Die getesteten Werte liegen in einem derart niedrigen Bereich, dass die Substanzen überhaupt keinen Einfluss auf die Pferde gehabt hätten. Anton Fürst, Präsident der Veterinärkommission des Schweizerischen Verbandes SVPS, präzisiert: «Es hätte eine 200-fache Dosis gebraucht, damit sie wirksam gewesen wäre.»
Und doch wird Guerdat wie ein Schuldiger behandelt. Dabei versteckt sich die FEI hinter ihren veralteten Regeln. Auch deshalb hat Guerdat die Vereinbarung unterschrieben. Denn die FEI wird nicht um eine Modifizierung herumkommen. «Dies würde der FEI flexibleres Handeln in solchen Fällen ermöglichen», so SVPS-Präsident Charles Trolliet.
Um andere Springreiter vor «einem solchen Horror» bewahren zu können, nimmt Guerdat auch den finanziellen Schaden in Kauf. Denn: Als Teil der Vereinbarung hat die FEI dem Olympiasieger die gesamten Kosten aufgebrummt! Zahlen möchte er keine nennen, betont aber: «Es hat mein Erspartes aus den letzten zehn Jahren aufgebraucht.» Inklusive des verlorenen Preisgeldes dürfte dies geschätzt zwischen 150 000 und 250 000 Franken liegen.
Das Geld aber ist zweitrangig. Guerdat ist erleichtert, dass sein Name reingewaschen ist. «Das war mir wichtig. Und dass mein Umfeld zu mir gehalten hat. Das ist bedeutender als meine Olympiamedaille.»