Guerdat und sein berüchtigter Ehrgeiz
«Ich kann ein Arschloch sein»

Der gesunde Ehrgeiz unserer Weltnummer 1 ist berühmt-berüchtigt. Seine Liebe zu Pferden und dem Reitsport ungebrochen. Diese Mischung hat Steve Guerdat (36) an die Spitze gebracht. Erneut.
Publiziert: 30.05.2019 um 10:47 Uhr
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Seit Anfang Jahr führt Steve Guardat die Weltrangliste im Reitsport an.
Foto: imago/Stefan Lafrentz
Nicole Vandenbrouck

Steve Guerdat führt seit Anfang Jahr die Weltrangliste an. Doch dieser Platz an der Spitze, für den Jurassier ist er kein Ziel, das er bewusst anpeilt. Viel bedeutsamer ist für den mit 36 Jahren ja noch jungen Springreiter die Tatsache, dass er nach 2012 schon zum zweiten Mal in seiner Karriere die Nummer 1 ist, «und dies mit total verschiedenen Pferden», wie Guerdat betont.

Vor sieben Jahren reitet er mit seinem Olympia-Gold-Wallach Nino des Buissonnets auf den Thron, kann sich aber auch auf Jalisca Solier, Ferrari oder Sidney verlassen. Aktuell sind Bianca und Alamo seine besten Pferde im Stall. Auf der Stute trägt er vor einer Woche in La Baule (Fr) mit zwei Nuller-Runden zum Schweizer Auftaktsieg in diese Nationenpreis-Saison bei. Auf dem Rapp-Wallach gewinnt Guerdat Anfang April in Göteborg (Sd) als einer von erst fünf Reitern überhaupt zum dritten Mal den Weltcup-Final, und im Dezember davor in Genf den Top10-Final.

Guerdat ist es ein Dorn im Auge, dass viele Reiter ihre Ausnahmepferde bis an deren Leistungsgrenzen ausquetschen für Platzierungen und Preisgeld. Er selbst setzt auf eine akribische und langfristige Turnierplanung, seinen geliebten Pferden möchte er Sorge tragen. Sein derzeit starker Beritt macht es ihm dabei etwas leichter.

«Ich kann ein Arschloch sein»

Denn nebst seiner Vernunft ist auch Guerdats Ehrgeiz ausgeprägt. Und dafür ist der Olympia-Vierte von Rio 2016 berühmt-berüchtigt. Er scheut sich nicht, seine Emotionen zu zeigen – sei es Freude, Anspannung oder eben auch mal Frust. «Wenn ich aus einem Parcours komme und es nicht so gelaufen ist wie ich wollte, dann kann ich ein Arschloch sein», gibt er unverblümt zu.

Guerdats Priorität ist, seinen Frust nicht auf die Pferde zu übertragen. «Darum bekommen ihn dann die Leute zu spüren, die mir zuerst begegnen.» Das sind meistens Menschen, die ihm nahestehen. «Darum tuts mir auch leid. Stolz darauf bin ich nicht.» Es wäre ihm lieber, hätte er diesen Charakterzug nicht, «aber gleichzeitig gehört er zu mir».

Zufrieden, das ist der WM-Dritte von 2018 sportlich gesehen äusserst selten. Misserfolge beschäftigen ihn länger als Triumphe. Wie vor zwei Wochen in Windsor (Gb), als er im Grossen Preis im Sattel von Bianca nach einem Missverständnis bei einem Sprung aufgeben muss. «Danach habe ich zwei Nächte kaum geschlafen. Ich habe mich schlecht gefühlt, weil es total in die Hose gegangen ist.»

Geht es aber um alles, kann Guerdat bestens mit dem Druck umgehen. In der Equipe wird der Hofbesitzer (in Elgg, ZH) darum stets als Schlussreiter eingesetzt. «Er nimmt diese Rolle an und bleibt relaxt», sagt Equipenchef Andy Kistler. Guerdat sei ein routinierter Teamleader, von dem die anderen Reiter profitieren. «Ohne Steve wäre der Schweizer Reitsport nicht dort wo er heute ist», adelt ihn Kistler, «er ist der Roger Federer des Springsports.»

Kistler hat den Luxus, dass er mit der Equipe bei den zur Final-Quali zählenden Nationenpreis-Events immer das höchste Ziel anpeilen kann. Den Sieg. Wie auch am kommenden Wochenende in St. Gallen. Kistler hat für das Heimturnier folgende Equipe nominiert: Guerdat mit Bianca, Martin Fuchs mit Chaplin, Pius Schwizer mit Cortney-Cox, Niklaus Rutschi mit Cardano und Paul Estermann mit Lord Pepsi. Welches Quartett am Sonntag im Nationenpreis an den Start geht, wird am Vorabend entschieden. Klar ist, dass die Schweizer den Sieg anpeilen. Zuletzt sprangen sie zweimal in Folge auf den 2. Platz. «Der Sieg muss das Ziel sein, wir haben eine starke Mannschaft mit fünf starken Reitern und Pferden», so Guerdat.

Und was sagt er zum Federer-Vergleich seines Equipenchefs? «Das berührt mich zwar. Aber ich will einfach nur Steve Guerdat sein, mit meinen Pferden. Wenn die Pferdesport-Liebhaber eines Tages nach meinem Rücktritt sagen würden, dass ich ein guter Reiter und guter Mensch war, bedeutet mir das mehr.»

CSIO St. Gallen – das Programm

Die wichtigsten Prüfungen:

Donnerstag, 30. Mai: Qualifikation für den Grossen Preis der Schweiz, 18.15 Uhr.

Freitag, 31. Mai: Grosser Preis, 16.00 Uhr (live SRF info).

Samstag, 1. Juni: Schweizer Cup-Final, 15.30 Uhr. Jagdspringen, 18.15 Uhr (live SRF info).

Sonntag, 2. Juni: Nationenpreis, 2 Umgänge, 15.00/16.30 Uhr (live SRF2).

Die wichtigsten Prüfungen:

Donnerstag, 30. Mai: Qualifikation für den Grossen Preis der Schweiz, 18.15 Uhr.

Freitag, 31. Mai: Grosser Preis, 16.00 Uhr (live SRF info).

Samstag, 1. Juni: Schweizer Cup-Final, 15.30 Uhr. Jagdspringen, 18.15 Uhr (live SRF info).

Sonntag, 2. Juni: Nationenpreis, 2 Umgänge, 15.00/16.30 Uhr (live SRF2).

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