Steve Guerdats Herz schlägt für die Schweiz. Und deshalb für den Nationenpreis, bei dem er mit der Equipe für sein Land antreten kann. «Am Nationenpreis vertritt man sein Land. Was gibt es Schöneres im Sport als das? In meinen Augen nichts», sagt der 36-Jährige. Auch am CSIO St. Gallen ist Guerdat dabei, peilt heute den ersten Schweizer Sieg nach 23 Jahren an. Unser Quartett mit Martin Fuchs, Niklaus Rutschi, Paul Estermann und Guerdat hat für den Heimauftritt die Startnummer 1 gezogen.
Doch nicht alle Equipenchefs können sich wie Andy Kistler auf die stärksten Reiter und Pferde verlassen. Dies als Folge einer Entwicklung, die Kistler sowie die Equipenchefs der anderen Länder mit zunehmender Sorge betrachten. «Jedes Jahr gibt es mehr Fünf-Stern-Turniere, aber nicht mehr Springreiter und Pferde fürs höchste Level», sagt Kistler.
Eine Konsequenz davon ist, dass es bei den Daten der Austragungen vermehrt Überschneidungen gibt. Dies beeinflusst das Teilnehmerfeld der grossen Turniere, weil sich die Springreiter zwischen den Events entscheiden müssen. St. Gallen ist aktuell davon betroffen: In Hamburg (De) macht gleichzeitig die Global Champions Tour Halt. Ein Grossteil der Spitzenreiter startet dort, in St. Gallen sind aus den Top 50 der Weltrangliste gerade mal 7 Reiter vertreten. Den sportlichen Wert aber schmälert dies nicht zwingend.
Millionen-Preisgelder auf der Alternativ-Tour
Vielmehr ist in der Szene die Global Champions Tour (GCT) mit ihren Millionen-Preisgeldern genau deshalb umstritten. Die GCT wurde 2006 vom Pferdehändler und Ex-Springreiter Jan Tops (58) – übrigens von 2003 bis 2006 der Arbeitgeber Steve Guerdats – ins Leben gerufen. Der Holländer expandiert seine Serie unbeirrt weiter, soeben ist sie von 17 auf 20 Stationen angewachsen, die sich über die ganze Welt verteilen. Das Preisgeld steigt steil an, fast 45 (!) Millionen Franken werden heuer insgesamt ausgeschüttet.
Ein Vergleich: Der Grosse Preis in Hamburg ist mit 336 '000 Franken dotiert, jener am Freitag in St. Gallen mit 168'000 Franken, also der Hälfte. Aktuell führt Edwina Tops-Alexander (45) – richtig, die Frau des Initiators – das Preisgeld-Ranking an mit einem an bisherigen GCT-Events gewonnenen Total von 4,4 Millionen Franken!
Und so sagen böse Zungen den Reitern nach, sie würden bloss noch dem Geld nachspringen, weil es an allen Turnieren der GCT-Serie grössere Beträge zu gewinnen gibt. Statt für Ruhm und Ehre zu reiten an den Nationenpreisen. Doch das stimmt nur bedingt. «Manch mal sind es auch die Pferde-Besitzer, die wollen, dass wir statt an einen Nationenpreis an ein Global- Champions- Turnier gehen», sagt Pius Schwizer (56).
Der Oensinger gehört dem GCT-Team «Shanghai Swans» an. «Ich habe mich aber für den Start in St. Gallen entschieden», sagt er. Schwizer ist heute der Ersatzreiter der Schweizer im Nationenpreis.
«Der Weltverband muss etwas unternehmen, um sein Hauptprodukt zu verbessern»
Weil sowohl die Equipenchefs als auch der Riders Club – eine Vereinigung der Springreiter – diese Entwicklung einbremsen und laut Kistler «in eine richtige Richtung lenken wollen», sind sie beim Weltverband FEI mit ihrem Anliegen vorstellig geworden. «Wir finden, dass der Nationenpreis die wichtigste Disziplin sein kann, um den Springreitsport vor einem grossem Publikum repräsentieren zu können. Hinter einer Equipe steht eine Nation viel mehr, sie löst Emotionen aus», sagt Andy Kistler.
Guerdat doppelt nach: «Es sind Anpassungen notwendig. Im Kalender sind immer mehr Turniere und Serien. Da muss der Weltverband etwas unternehmen, um sein Hauptprodukt zu verbessern und weiterzubringen.» Das Springreiten sei vor allem dank des Nationenpreis-Formats olympisch. Der Weltverband hat bereits reagiert und nächste Woche rund 35 Betroffene – Springreiter, Equipenchefs, Organisatoren, Besitzer, Jury-Mitglieder – zu einem Round-Table-Gespräch eingeladen. Da sollen die Themen und Lösungsansätze diskutiert werden. Damit der Nationenpreis die Bedeutung bekommt, die er für die Equipenreiter schon hat.