Olivier Senn, wird es eine Tour de Suisse 2021 geben?
Olivier Senn: Davon gehe ich aus.
Steckt noch genügend Geld in der Kasse?
Der Schaden durch die Absage dieses Jahr war gross, keine Frage. Zum Glück konnten wir aber den Sponsoren schon Anfang April reinen Wein einschenken. Wir suchten sofort das Gespräch und stiessen mehrheitlich auf Verständnis.
Das Budget 2020 lag ursprünglich bei 7 Millionen Franken. Wie hat es sich verändert?
Es schrumpfte auf rund 1,6 Millionen.
Was heisst das für die kommende Ausgabe?
Weil wir gegenüber den Sponsoren in diesem Jahr praktisch keine Leistung erbringen konnten, war auch nicht viel zum Einfordern da. Gleichzeitig haben wir Mitarbeiter, die bezahlt werden müssen. Am 9. Juni gibt es eine grosse Konferenz in Bern, wo auch der Sport ein Thema sein wird. Wir hoffen natürlich auf die Hilfe des Bundes.
Ist diese Hoffnung berechtigt?
Ich bin optimistisch. Wir warten jetzt mal ab – es ist noch völlig unklar, wie die Unterstützung im Sport vonstatten geht. Ich glaube aber, dass man um den Wert der Tour de Suisse weiss. Wir brauchen letztlich auch keine Millionen.
Wie viel wäre gut?
500 000.
Als Kredit oder à fonds perdu?
Idealerweise à fonds perdu.
Das tönt etwas nach der hohlen Hand machen.
Im Gegenteil! Als es klar war, dass die Tour 2020 nicht stattfinden kann, haben wir sofort überlegt: Was könnten wir trotzdem noch tun, um den Schaden möglichst gering zu halten?
Es entstand «The Digital Swiss 5». Fünf Rennen, bei denen die Athleten zu Hause auf der Rolle virtuell gegeneinander fuhren.
Genau. Das war ein Kraftakt. Wir waren innovativ und schnell, 20 Leute haben Tag und Nacht am Projekt gearbeitet. Die Teams und Fahrer haben super mitgezogen, wir waren sehr zufrieden.
Das Schweizer Fernsehen übertrug alles. Wie war die Resonanz?
Jeden Tag schalteten mehr Leute ein, am Ende waren es 251 000 Zuschauer. Dazu etwa 54 000 via Internet. Der Marktanteil betrug an zwei der fünf Tage über zehn Prozent. Ich kann Ihnen versichern: Beim SRF traute manch einer seinen Augen nicht!
Weil der Windschatten nicht berücksichtigt wurde, gab es letztlich fünf Zeitfahren. Das nahm den Rennen viel Spannung.
Die Zeit war zu knapp, um dieses Element einzufügen. Ich gebe Ihnen aber recht: Es braucht künftig Windschatten, damit die Events abwechslungsreicher werden. Nur dann spielt auch – so wie in richtigen Wettkämpfen – die Taktik eine Rolle.
Sie liebäugelten danach mit einer virtuellen Tour de Suisse im Juni. Warum kommt sie nicht zustande?
So wie es aussieht, wird die richtige Rennsaison am 1. August wieder starten. Weil sehr viele Teams und Fahrer jetzt spezifisch angefangen haben, sich auf die einzelnen Rennen vorzubereiten, waren die Rückmeldungen negativ. Schade, aber verständlich.
Hätte es diesmal mit dem Windschatten geklappt?
Ja, wir wären bereit gewesen! Das Thema virtuelle Rennen bleibt nun aber in einer Schublade.
Wird sie je wieder geöffnet?
Ich kann mir gut vorstellen, dass wir zum Beispiel in der Zwischensaison, also im Winter, wieder etwas in der Art mit den Radprofis machen könnten.
Sportministerin Viola Amherd brachte im Lauberhorn-Zoff eine Klärung. Hoffen Sie, dass auch die Tour de Suisse künftig als Kulturgut angesehen wird?
Ich würde es mir wünschen. Die Tour ist ein Traditionsanlass, der jährlich eine Million Menschen an den Strassenrand lockt. Sie ist ein Eckpfeiler für den Verband, wichtig für unseren Nachwuchs, und sie hat einen hohen touristischen Wert. Die Bilder der herrlichen Schweizer Landschaften gehen schliesslich in die ganze Welt hinaus.
Eine halbe Million Franken an Unterstützung wäre darum angemessen?
Ich hoffe sehr, dass dem ganzen Schweizer Sport geholfen wird – auch uns. Es wäre doch verrückt, wenn der Bereich Kultur 280 Millionen erhält, der Sport aber viel weniger.