Ist es schlechter Stil – oder einfach knallharter Profisport?
Mit Erstaunen schaut die Radwelt am Mittwoch auf die Schlussphase der 17. Vuelta-Etappe. Denn da sind es ausgerechnet die eigenen Teamkollegen Primoz Roglic (33, Sln) und Jonas Vingegaard (26, Dä), die den Gesamtführenden Sepp Kuss (29, USA) im finalen Anstieg attackieren – und abhängen.
Besonders brisant daran: Der Angriff erfolgt nach einem Sommer, in dem sich der 29-jährige US-Amerikaner ein weiteres Mal einen Namen als uneigennütziger und wertvoller Helfer im Team Jumbo-Visma gemacht hat. Vor allem an der diesjährigen Tour de France war Kuss für den späteren Gesamtsieger Vingegaard praktisch unverzichtbar.
Dass es nun die eigenen Leute sind, die Sepp Kuss die Vuelta-Führung streitig machen, sorgt für Kritik in der Szene. «Das ist so illoyal und respektlos gegenüber allem, was Sepp während seiner Karriere getan hat», schimpft beispielsweise der britische Ex-Radprofi Adam Blythe. Die Rede ist auch von «zu grossen Egos» bei Roglic und Vingegaard.
In die letzte happige Bergetappe vom Donnerstag ging Sepp Kuss aber dennoch mit einem kleinen Polster. Und tatsächlich: Bei Jumbo-Visma scheint man in der Nacht nochmals über die Bücher gegangen zu sein. Auf dem Weg zum Berg-Zielort La Cruz de Linares reihen sich Roglic und Vingegaard diesmal hinter Kuss ein und helfen dem Leader, seinen Vorsprung zu verteidigen.
Den Etappensieg schnappt sich zwar der Belgier Remco Evenepoel (23), der Gesamtsieg dürfte jetzt aber Kuss nicht mehr zu nehmen sein. Ausser, es ereignet sich nochmals eine unerwartete Attacke aus den eigenen Reihen. (cat)