Sie sind klein, leicht und fliegen die Berge hinauf. Und weil sie deshalb bei grossen Radrundfahrten oft das gepunktete Trikot tragen, nennt man sie in ihrer kolumbianischen Heimat Escarabajos – übersetzt: Käfer. Der Erste war vor 30 Jahren Luis «Lucho» Herrera, zweifacher Gewinner des Bergtrikots an der Tour de France und Vuelta-Sieger. Später folgten Fabio Parra, Felix Cardenas oder Mauricio Soler.
Seit einigen Jahren ist es gleich eine ganze Schwadron Käfer, die von Kolumbien aus den Radsport erobert. An der Spitze der zweifache Tour-Zweite und Girosieger Nairo Quintana. Dahinter Rigoberto Uran, die Tour-de-Suisse-Etappensieger Darwin Atapuma und Jarlinson Pantano. Und eben Miguel Angel Lopez, seit Sonntag Gesamtsieger der Schweiz-Rundfahrt.
Mit seiner Grösse von 1,70 Meter und 62 Kilo Gewicht ist der 22-Jährige ein typischer Escarabajo. Und doch nennen sie ihn in Kolumbien «Superman». Der Übernahme geht auf einen Vorfall von 2011 zurück, der Lopez die Karriere hätte kosten können, bevor sie richtig begonnen hatte. «Ich fuhr gerade seit einem Monat als Junior. Nach einem Training lauerten mir Typen auf und wollten mein Rad klauen. Ich verteidigte mich und bekam zwei Messerstiche ins rechte Bein.» Das Rad war weg, aber «Superman» geboren.
Obwohl sein Vater nicht begeistert war und ihn lieber mit den sechs Geschwistern auf dem heimischen Hof gesehen hätte, ging Lopez weiter seiner Radsport-Leidenschaft nach. Im Team seiner Heimatprovinz Boyaca an den Ausläufern der Anden kam er 2014 als Amateur unter. Er gewann das in Kolumbien bedeutende Nachwuchs-Rennen «Vuelta de la Juventud». So wurde der Astana-Rennstall auf ihn aufmerksam und gab ihm 2015 den ersten Profivertrag.
Für die Tour de France ist er in diesem Jahr nicht vorgesehen, dafür soll Lopez Ende August bei der Vuelta am Start stehen. Die weist 2016 mehr denn je ein brutales Profil mit nicht weniger als 10 Bergankünften auf. Das ideale Terrain für einer Käfer mit Supermann-Qualitäten.