Um den Unterschied zu Peter Sagan (25) und seinen Konkurrenten zu erklären, dient die Beschreibung einer Szene. Abgespielt hat sie sich vor zwei Jahren beim Klassiker Mailand–San Remo. Bei Kälte und Schnee artet die Frühlingsfahrt in ein apokalyptisches Rennen aus. Das Wetter zwingt die Organisatoren zum Abbruch, dann gibts einen Neustart. Zwei Stunden sitzen die Fahrer im Team-Bus, einige sind von der Kälte so starr, sie können sich nicht einmal mehr selber ausziehen.
Nach dem Neustart ist Sagan schnell vorne im Feld. In der Abfahrt der Cipressa können seine Gegner vor Angst und Kälte kaum gerade auf dem Velo sitzen. Der Slowake prescht davon und zieht sich fahrend die Beinlinge aus – so als sitze er daheim auf dem Sofa.
«Ich kenne keinen Radprofi, der sein Arbeitsgerät so beherrscht wie Peter Sagan», sagt der frühere Flandern-Sieger Steffen Wesemann (44). «Wenn er die Sprints fährt, dann rast da eine Einheit dem Ziel entgegen.» Sind die letzten zwei Kilometer technisch heikel, dann kann ihn eigentlich nur einer schlagen – er sich selbst. So wie gestern in Düdingen. Sagan hat sich auf der Zielgeraden verrechnet.
Er ist mit 67,9 Stundenkilometern zwar der Schnellste, aber die Gerade ist zu kurz. Der Norweger Kristoff rettet einen hauchdünnen Vorsprung ins Ziel. So muss Sagan weiter mit elf TdS-Etappensiegen vorliebnehmen. Die Rekordmarke, die er noch mit den Schweizer Velo-Legenden Ferdy Kübler und Hugo Koblet teilt.
Es gibt Fahrer, die sind von der Grundschnelligkeit einen Tick gefährlicher. Wie etwa der Brite Mark Cavendish oder die beiden Deutschen Marcel Kittel und André Greipel – aber die drei beherrschen das Velo nicht so perfekt wie Sagan. Der frühere Junioren-Weltmeister im Mountainbike hat sich seine technischen Fähigkeiten im Gelände geholt.
Und er profitiert von seinem Instinkt, seiner Explosivität – und seinem «Anfahrer» Daniele Bennati (34). Der Italiener behält im Finale stets die Übersicht, ist kein Hektiker. Er beschleunigt regelmässig und weiss ganz genau, wo er Sagan hinführen muss.
Und Sagan lernt schnell. Macht keine Fehler zweimal. Vor zwei Jahren kniff er bei der Flandern-Rundfahrt bei der Siegerehrung der Ehrendame in den Hintern – was in Belgien zu einem Proteststurm führte. Nach seinen TdS-Etappensiegen in Olivone und Biel hatte er seine Hände brav unter Kontrolle.