Geraint Thomas kann nach schwerem Sturz nicht weiterfahren
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Schock in der 4. Etappe:Geraint Thomas kann nach schwerem Sturz nicht weiterfahren

Geraint Thomas vor der Tour
«Ich traute mich nicht mehr auf die Waage»

Geraint Thomas (33) genoss das Leben als Tour-de-France-Sieger in vollen Zügen. Die Quittung? Übergewicht. «Die Diät war das Härteste», sagt er. Gewinnt er nun wieder?
Publiziert: 05.07.2019 um 14:01 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2019 um 08:55 Uhr
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Geraint Thomas (33) genoss das Leben als Tour-de-France-Sieger in vollen Zügen.
Foto: keystone-sda.ch
Mathias Germann

Geraint Thomas, vor gut zwei Wochen stürzten sie an der Tour de Suisse schwer. Jetzt steht die Tour de France an. Sind Sie bereit?
Geraint Thomas: Ja. Der Sturz war kein grosses Problem in Bezug auf meine Vorbereitung. Wir fahren die Tour, um sie zu gewinnen.

Trotzdem: Sie verpassten wichtige Etappen.
Ich wollte mich in der Schweiz einem grossen Formtest unterziehen. Das hat nicht geklappt und war enttäuschend. Aber sowas passiert. Und seitdem hatte ich einige lange Ausfahrten im Training. Ich fühle gut auf dem Rad.

Das war in diesem Jahr nicht immer so.
Stimmt. Aber das ist normal. Nach dem Tour-Sieg 2018 habe ich mir die längste Auszeit meiner ganzen Karriere genommen – von Mitte September bis Ende November. Nicht, weil ich kaputt war. Im Gegenteil: Ich war in einem Hoch, wollte Feiern.

Sie trainierten gar nicht mehr?
Doch. Aber ich machte eben auch andere Sachen. Es gab viele Partys, ich habe das Leben genossen. Das war wunderbar und auch richtig. Ich meine, ich hatte die Tour de France gewonnen, das Grösste Rennen der Welt!

Aber?
Anfang Jahr merkte ich dann, dass ich wieder die tägliche Routine als Rad-Profi wieder brauchte. Ich sehnte mich danach, am Ende des Tages müde vom Training zu sein.

Sie mussten einige Kilos loswerden. Wie schwer war das?
Das Härteste war aber die Diät nebenbei – bei weitem (seufzt). 

Schmerzte es, auf die Waage zu stehen?
Ich habe es gar nicht getan. Oder bewusst nicht hingeschaut (schmunzelt). Ich wusste ja, was los war. Schaut euch nur die Fotos an: Ich war fett. Ich brauchte keine Nummer, die mir das sagt – das hätte mich noch mehr kaputt gemacht.

Normalerweise können Rad-Profis riesige Mengen Kalorien verschlingen. Sie mussten aber mehr verbrennen, als das Sie zu sich nahmen. Wie war das?Brutal. Man fährt fünf bis 6 Stunden Rad und versuchst danach, nicht zu viel zu essen.

Purzeln die Kilos nicht sofort?
Am Anfang verlor ich schnell Gewicht, die letzten 2 bis 3 Kilos waren dann die Schwierigsten. Zum Glück haben wir gute Ernährungsberater im Team. Auch dank ihnen habe ich es gepackt.

Wie schafften Sie es, sich zu motivieren?
Mein Ziel ist es, mich gut zu fühlen. Ich will die Möglichkeit haben, bei Anstiegen in der Spitzengruppe zu fahren, Rennen zu gewinnen. Ich will einfach wieder vorne dabei sein.

War dieses Bedürfnis immer da?
Ich erinnere mich an die Zeit, da war ich noch keine 16 Jahre alt. Schon da ging es ums Gewinnen. Und wenn ich gewann, es wieder zu schaffen. Ich bin hungrig nach diesem Gefühl.

Wie viel wiegen Sie heute?
68 Kilo, so wie bei der Tour im letzten Jahr.

Die Chancen auf den zweiten Tour-Triumph sind nach dem Ausfall Ihres Teamkollegen Chris Froome gestiegen.
So sehe ich das nicht. Im Gegenteil: Wir haben jetzt eine Option weniger. Aber wir haben auch so ein starkes Team am Start.

Und mit ihrem kolumbianischen Teamkollegen Egan Bernal einen zweiten Mann fürs Gesamtklassement.
Egan ist ein unglaubliches Talent, er wird sicher gut klettern. Das Wichtigste ist, dass wir nicht gegeneinander fahren und dass jemand von uns gewinnt.

Am liebsten Sie?
Wenn Egan siegen sollte, wäre ich glücklich. Naja, nicht so glücklich wie wenn ich selber gewinnen würde (schmunzelt). Wir müssen einfach unsere Karten zum richtigen Zeitpunkt spielen. 

Macht Ihnen die Erwartungshaltung zu schaffen?
Nein, ich spüre keinen Druck.

Das ist Geraint Thomas

Geraint Howell Thomas (33) war als Teenager kein Kind von Traurigkeit. Er genoss sein Leben in Cardiff, der Hauptstadt von Wales – und schaute dabei mehrmals zu tief ins Glas. Zu viele Partys, zu viel Alkohol. «Einige meiner Kollegen ausserhalb des Radsports streiften am Alkoholismus vorbei», sagte er einmal. «Ich aber entschied mich, das sein zu lassen und Gewicht zu verlieren.» Die Folge: Thomas wurde in der Bahn-Mannschaftsverfolgung drei Mal Weltmeister (2007, 2008, 2012), dazu kamen zwei Olympiasiege (2008, 2012). Nach seinem Wechsel zum Strassenradsport war er jahrelanger Sky-Helfer, ehe er 2018 aus dem Schatten trat und die Tour de France gewann. Thomas ist seit fast vier Jahren mit seiner Jugendfreundin Sara Elen verheiratet, die Beiden leben in Cardiff und in Monaco (Fr). «Wir hätten gerne eines Tages Kinder», so Thomas.

Geraint Howell Thomas (33) war als Teenager kein Kind von Traurigkeit. Er genoss sein Leben in Cardiff, der Hauptstadt von Wales – und schaute dabei mehrmals zu tief ins Glas. Zu viele Partys, zu viel Alkohol. «Einige meiner Kollegen ausserhalb des Radsports streiften am Alkoholismus vorbei», sagte er einmal. «Ich aber entschied mich, das sein zu lassen und Gewicht zu verlieren.» Die Folge: Thomas wurde in der Bahn-Mannschaftsverfolgung drei Mal Weltmeister (2007, 2008, 2012), dazu kamen zwei Olympiasiege (2008, 2012). Nach seinem Wechsel zum Strassenradsport war er jahrelanger Sky-Helfer, ehe er 2018 aus dem Schatten trat und die Tour de France gewann. Thomas ist seit fast vier Jahren mit seiner Jugendfreundin Sara Elen verheiratet, die Beiden leben in Cardiff und in Monaco (Fr). «Wir hätten gerne eines Tages Kinder», so Thomas.

Auch ich wog mal zu viel

Ich kann Geraint Thomas gut nachempfinden. Auch ich hatte während meiner Aktivzeit im Winter ebenfalls ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen, wog 86 statt 81 Kilo. Aber was heisst zu viel? Ich wollte nicht auf alles verzichten. Sogar während der Saison brauchte ich mein Schöggeli, um mich gut zu fühlen. Im Unterschied zu Thomas hatte ich aber von Natur aus schon immer mehr Fleisch am Knochen. Zudem war ich – auch wenn ich 2009 die Tour de Suisse gewann – kein Fahrer fürs Gesamtklassement. Sprich: Ich musste an einem bestimmten Tag parat sein. Dabei war es nicht entscheidend, ob ich ein Kilo mehr oder weniger hatte, die Form musste einfach stimmen. Bei Thomas ist das anders. Er muss ab sofort drei Wochen lang seinen Mann stehen, auch in den Anstiegen in den Pyrenäen und Alpen. Da ist jedes Gramm, das er zusätzlich mitschleppt, ein Gramm zu viel. Thomas sagt, dass er sein Idealgewicht erreicht habe. Das kann ich nicht beurteilen. Fakt ist aber: Seine Vorbereitung auf die Tour war alles andere als ideal. Und nach dem Ausfall von Froome schaut und hofft ganz Grossbritannien auf ihn, die Medien werden sich um ihn reissen. Eine Situation, mit der er erst mal verkraften muss. Ich würde es Thomas wünschen. Aber: Wer letztlich das Rennen macht, ist nebensächlich. Ich will vor allem eine schöne, spannende Tour sehen!

Fabian Cancellara
Sven Thomann

Ich kann Geraint Thomas gut nachempfinden. Auch ich hatte während meiner Aktivzeit im Winter ebenfalls ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen, wog 86 statt 81 Kilo. Aber was heisst zu viel? Ich wollte nicht auf alles verzichten. Sogar während der Saison brauchte ich mein Schöggeli, um mich gut zu fühlen. Im Unterschied zu Thomas hatte ich aber von Natur aus schon immer mehr Fleisch am Knochen. Zudem war ich – auch wenn ich 2009 die Tour de Suisse gewann – kein Fahrer fürs Gesamtklassement. Sprich: Ich musste an einem bestimmten Tag parat sein. Dabei war es nicht entscheidend, ob ich ein Kilo mehr oder weniger hatte, die Form musste einfach stimmen. Bei Thomas ist das anders. Er muss ab sofort drei Wochen lang seinen Mann stehen, auch in den Anstiegen in den Pyrenäen und Alpen. Da ist jedes Gramm, das er zusätzlich mitschleppt, ein Gramm zu viel. Thomas sagt, dass er sein Idealgewicht erreicht habe. Das kann ich nicht beurteilen. Fakt ist aber: Seine Vorbereitung auf die Tour war alles andere als ideal. Und nach dem Ausfall von Froome schaut und hofft ganz Grossbritannien auf ihn, die Medien werden sich um ihn reissen. Eine Situation, mit der er erst mal verkraften muss. Ich würde es Thomas wünschen. Aber: Wer letztlich das Rennen macht, ist nebensächlich. Ich will vor allem eine schöne, spannende Tour sehen!

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Das sind die Tour-Favoriten

Zwei schwergewichtige Ausfälle machen das Rennen um den Tour-de-France-Sieg 2019 offener denn je. Erstens fällt der vierfache Tour-Triumphator Chris Froome (34, Gb) aus, er brach sich nach einem Crash in eine Hauswand Becken, Oberschenkel und Nacken. Zweitens ist auch Tom Dumoulin (29, Ho) nicht dabei – der Giro-Sieger des letzten Jahres leidet an Knieproblemen. Was bleibt, ist ein bärenstarkes Team Ineos (früher Sky) mit den Top-Favoriten Geraint Thomas und Egan Bernal und dazu vier weitere Thron-Anwärter. Die vier Tour-Schweizer Stefan Küng (25), Mathias Frank (30), Michael Schär (32) und Sébastien Reichenbach (30) sind als Helfer in Frankreich und hoffen auf einen Etappensieg. 

Geraint Thomas (33, Gb). Trotz des Kampfs gegen das Übergewicht und der Sturz an der Tour de Suisse: Der Waliser ist und bleibt ein heisser Kandidat auf den Tour-Sieg. Er ist stark am Berg, dazu exzellent im Zeitfahren und bringt die mentale Lockerheit mit, um gut mit Druck umzugehen. *****

Egan Bernal (22, Kol). Das Wunderkind aus den Anden. Im Gegensatz zu vielen Kolumbianern, welche in der Vergangenheit für Furore sorgten, ist Bernal nicht nur eine super Kletterer. Nein, er ist auch im Kampf gegen die Uhr sehr solide. In diesem Jahr gewann Bernal Paris-Nizza und die Tour de Suisse. *****

Jakob Fuglsang (34, Dä). Wer den schwierigen Dauphiné gewinnt, hat etwas auf dem Kasten. Das ist bei Astana-Fahrer definitiv der Fall, er ist in Form. Allerdings stand er bei einer Grand Tour noch nie auf dem Podest. Hält er auch drei Wochen durch? ***

Vincenzo Nibali (34, It). Der «Hai von Messina» ist noch immer bissig. Zuletzt Zweiter beim Giro d'Italia. Etwas ist ausser Frage: Der Super-Abfahrer vom Team Bahrain Merida weiss, wie es geht. Er gewann schon alle drei grossen Rundfahrten (Vuelta 2010, Giro 2013, Tour de France 2014). **

Adam Yates (26, Gb). Zusammen mit seinem Bruder Simon könnte er für Furore sorgen. Gewiss, ein Sieg von Yates wäre eine Überraschung. Aber wie bei Bernal gilt: Er ist sowohl am Berg als auch im Zeitfahren stark – wenn auch nicht der Stärkste. **

Thibaut Pinot (29, Fr). Die französischen Rad-Fans lechzen nach einem neuen Tour-Helden. Der Letzte, der die Tour gewann, was Bernard Hinault im Jahr 1985. Die Hoffnungen ruhen auf den Schultern von Romain Bardet (28) – und eben Pinot. Dieser mied zuletzt seine Heim-Rundfahrt – jetzt will er zuschlagen. *

Tour de France verfolgen

Im BLICK-Ticker gibt es alle Etappen der Tour de France 2019 nochmals zum Nachlesen. Verpassen Sie kein Ergebnis und Highlight des legendären Radrennens!

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