Tony Rominger spricht über seinen Giro-Sieg 1995
Auch ein Velo-Klau stoppte den rosaroten Panther nicht

Am 4. Juni 1995 schrieb Tony Rominger (59) Geschichte: Er gewann den Giro d’Italia. Seither schaffte dies kein Schweizer mehr. In Lenzerheide erlebte er aber einen Schock.
Publiziert: 04.06.2020 um 15:37 Uhr
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Aktualisiert: 04.06.2020 um 21:49 Uhr
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Tony Rominger gewann am 4. Juni 1995 den Giro d'Italia.
Foto: Keystone
Mathias Germann

Tony Rominger kann es nicht glauben. Er bellt: «Was? Das kann doch nicht wahr sein! Nicht hier, unmöglich!» Was den Schweizer Rad-Star am Morgen des 29. Mai 1995 entsetzt, ist eine Nachricht seines Mechanikers. «Jemand hat dein Rennrad geklaut», sagt dieser. Rominger ist fassungslos. Rückblick: Wir schreiben den Tag nach der 15. Etappe der Italien-Rundfahrt, welche vom Schnalstal (It) hinauf nach Lenzerheide GR führte. Und dann das. Ausgerechnet beim Abstecher ins Romingers Heimatland wird Rominger bestohlen.

Heute, also 25 Jahre später, erinnert er sich: «Damals gab es das Klischee, dass Langfinger vor allem in Italien ihr Unwesen treiben würden. Aber doch nicht bei uns! Und dann passierte mir genau dies in der in der einzigen Giro-Etappe, die nicht auf italienischem Boden endete. Sondern in der Schweiz.»

Der rosarote Panther fuhr allen davon

Etwa 6000 Franken kostete damals seine schwarz-silberne Rennmaschine von Star-Konstrukteur Ernesto Colnago. «Sie war wie ein Mercedes», so Rominger. Warum nur sein Velo geklaut wurde? Er kann er sich auch heute nicht erklären – schliesslich sei die Garage des Hotels voll von weiteren Rennrädern seines Teams Mapei gewesen. Vielleicht ist die Antwort aber auch ganz einfach: Rominger war damals in den 90ern einer der besten Fahrer im Peloton. Zehntausende feierten den «rosaroten Panther», wie der BLICK ihn in Anlehnung an die Maglia Rosa nannte, am Strassenrand. Kein Wunder: Er gewann 1995 nicht nur die Giro-Gesamtwertung, sondern auch noch vier Etappen – drei davon waren Zeitfahren.

«Das war eine tolle Stimmung hinauf nach Lenzerheide. Dass ich bestohlen wurde, trübt meine Erinnerung nicht. Vielleicht liest ja heute ein Schweizer Fan mit meinem Velo diese Zeilen und bringt es zurück», so Rominger. Er muss dabei lachen. Er hatte damals zwei weitere, fast gleiche Rennräder dabei.

«Die anderen denken, ich sei Brotaufstrich»

Nur eine Woche nach dem Schock im Bündnerland krönte sich Rominger zum ersten Schweizer Giro-Sieg seit Carlo Clerici 1954. «Damals war mir das egal. Heute aber bin ich stolz darauf.» Auch 25 Jahre später wartet Rominger auf einen Nachfolger – ernsthafte Kandidaten sind nicht in Sicht. Dennoch verfolgt den Radsport nach wie vor intensiv. Beim Sofa-Sport lässt er es aber nicht sein. Im Gegenteil: Rominger ist optimistisch, in diesem Jahr die 10'000-Kilometer-Marke auf dem Rad zu erreichen. «Dank Corona war ich viel unterwegs», sagt er.

Dabei hatte der Zuger zuletzt auch Glück. Warum? Kurz bevor die Grenzen im März schlossen, kehrte er von einer Fernfahrt mit Hobby-Radfahrern in Südafrika zurück. «Da hatten wir wirklich Schwein.» Dazu muss man wissen: Seit Jahren organisiert und führt Rominger Velo-Ferien durch. «Alle Gümmeler über 45 Jahren kennen mich. Die anderen dagegen denken, ich sei Brotaufstrich», sagt er lachend. Aber das sei kein Problem. «Ich muss nicht über früher reden. Aber wenn jemand am Abend bei einem Bier Geschichten von früher hören will, erzähle ich gerne.»

12 Jahre, 122 Siege: Der Spätzünder räumte ab

Zwei Jahre nach seinem Giro-Sieg 1995 trat Rominger zurück. Nach 12 Profi-Jahren und 122 Siegen. Danach sass er acht Jahre lang nie mehr auf einem Velo-Sattel. «Ich hatte es satt», sagt er. Dabei darf gesagt werden: Satt hatte Rominger auch das Leben als Star. Schon während der Karriere lebte der dreifache Vuelta-Sieger während seiner Karriere zuerst in Italien und dann in Monaco. «Zurückgezogen», wie er erläutert.

Damals war Rominger, der die Tour de France nie gewann («das kränkt mich nicht, denn die anderen waren ganz einfach besser»), bereits 34 Jahr alt. Und geläutert. «In jüngeren Jahren gab es einige Homestories über mich. Ich machte bei allem mit. Im Nachhinein war das ein Fehler. Jugendlicher Leichtsinn halt. Ich hätte dies lieber sein lassen.»

«Mein Name steht nur noch auf der Kreditkarte»

Heute redet Rominger kaum noch mit den Medien. «Ausser auf der Kreditkarte steht mein Name fast nirgends mehr», sagt er scherzend. Rominger hat zwei Scheidungen hinter sich, ist Vater von drei Kindern und lebt alleine in Schnottwil SO. «Ich bin zufrieden», sagt er. Bleibt die Frage: Haute er damals am 4. Juni 1995 nach seinem historischen Giro-Triumph auf den Putz? «Nein. Dafür war ich zu kaputt, hatte Bronchitis. Aber das wussten meine Gegner zum Glück nicht.»

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