Stefan Küng ist todmüde, aber glücklich. Er hat geliefert, die WM-Bronzemedaille baumelt an seinem Hals. «Aber ich habe mega kalt», sagt er schmunzelnd. Kein Wunder: Sechseinhalb Stunden sitzt er bei seinem Husarenritt in Yorkshire (Gb) im Sattel. Das Wetter? Miserabel, Dauerregen und 10 Grad. Das ist sogar für den Thurgauer, der bei Nässe so gut ist wie kaum ein Zweiter, happig. «Aber ich habe alles gegeben, bin mit Herz gefahren, habe die Flucht nach vorne gesucht.»
Nur 46 der 197 Fahrer erreichen nach 261,8 Kilometern letztlich das Ziel. Auch viele Favoriten geben entkräftet auf. Beispiele? Philippe Gilbert (Be) stellt weinend sein Rad zur Seit und Alejandro Valverde (Sp) steigt schlotternd in den Team-Bus – sie sind beide Ex-Weltmeister. Küng dagegen kämpft zu diesem Zeitpunkt für seinen Traum. Er reisst 60 Kilometer vor Schluss aus dem Feld. Einige seiner Fluchtkollegen fallen in den folgenden Stunden zurück, andere kommen neu dazu. Der Schweizer beisst sich dagegen durch. King Küng, der Rad-Gladiator!
Nur zwei Fahrer kann der passionierte Bücherwurm nicht abschütteln: Mads Pedersen (Dä), der letztlich Weltmeister wird. Und Matteo Trentin (It), der Silber holt. Dabei versucht Küng an der letzten Steigung mit aller Kraft, auch sie zu bodigen. «Wir alle waren zu diesem Zeitpunkt praktisch tot. Ich hoffte, ihnen mit meiner Attacke mental den Rest zu geben. Aber da ich länger auf der Flucht war, waren sie frischer und konnten dranbleiben.»
«Ich hatte viele Rückschläge»
Letztlich zollt Küng für seinen Effort Tribut, im Dreiersprint ist er chancenlos. Egal? Nein. Gold wäre schöner gewesen. «Aber ich bin zufrieden. Dritter bei der WM, nach einem solch langen und harten Rennen, ist super. Das gibt mir mega Selbstvertrauen für die Zukunft.» Küng vergisst in diesem Moment nicht, woher er kommt. Früh wurde er als kommender Stern am Schweizer Rad-Himmel gesehen. Und tatsächlich: Er gewann seit seinem Wechsel zu den Profis vor fünf Jahren 13 Rennen, darunter drei Etappen an der Tour de Romandie und eine an der Tour de Suisse. Aber es gab auch viel Schatten. «Ich hatte in meiner Karriere viele Rückschläge mit Verletzungen und Krankheiten, aber auch immer ein Umfeld, das an mich geglaubt hat. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Athlet, lasse mich von Rückschlägen nicht so schnell unterkriegen.»
Mittlerweile ist Küng Leader beim französischen Team Groupama-FDJ, darf bei Eintagesrennen eigene Faust fahren. «Aber es braucht solche Momente wie heute. Das wird mir bei den Frühjahresklassikern helfen. Jetzt weiss ich, ich gehöre zu den Besten!»
Ein Kommentar von Rad-Reporter Hans-Peter Hildbrand
Es war 2015 in Fribourg, als ich vor Stefan Küng den Hut zog. Ich berichtete für den BLICK von der Tour de Romandie. Ich war im 35. Jahr als Rad-Reporter, ein alter Hase, der schon einiges gesehen hatte.
Es regnete in Strömen an diesem Tag. Und ich hätte es mir bequem machen und auf Küng im trockenen, warmen Pressesaal warten können. Doch nein, ich musste diesen Moment hautnah erleben, diesen imponierenden Solosieg von Küng. So lief ich hinter die Ziellinie, trotzte dem Regen und zog im wahrsten Sinne des Wortes meinen Hut vor dem Jungen und seiner Leistung.
Küngs Sieg, der zweite Erfolg an seinem 14. Renntag als Profi, war grandios. Und ich war mir sicher: Küng wird ein King. Er ist ein Jahrhunderttalent des Schweizer Sports.
Doch so einfach läuft es für ihn dann nicht. Seine Karriere stockt. Er stürzt, stürzt und stürzt und kann die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Es gibt Kritik an ihm, und es gibt Kritik am Blick, weil wir immer an ihn geglaubt haben, zu ihm gehalten haben. Weil wir wissen, dass es keine grosse Karriere ohne Rückschläge gibt.
Und jetzt, nach dieser Bronzemedaille, sind sich plötzlich alle einig: Das war ein Meilenstein in der Schweizer Radsport-Geschichte. Küng hat eingelöst, was er damals 2015 auf dem Boulevard de Pérolles im strömenden Regen mit seinem Sieg versprochen hatte.
Auch gestern regnete es, und als Küng am Ende seiner Kräfte als Dritter über die Ziellinie fuhr, wäre ich am liebsten zu ihm gelaufen und hätte wieder meinen Hut gezogen. Er hat es allen gezeigt: Küng ist ein King.
Ein Kommentar von Rad-Reporter Hans-Peter Hildbrand
Es war 2015 in Fribourg, als ich vor Stefan Küng den Hut zog. Ich berichtete für den BLICK von der Tour de Romandie. Ich war im 35. Jahr als Rad-Reporter, ein alter Hase, der schon einiges gesehen hatte.
Es regnete in Strömen an diesem Tag. Und ich hätte es mir bequem machen und auf Küng im trockenen, warmen Pressesaal warten können. Doch nein, ich musste diesen Moment hautnah erleben, diesen imponierenden Solosieg von Küng. So lief ich hinter die Ziellinie, trotzte dem Regen und zog im wahrsten Sinne des Wortes meinen Hut vor dem Jungen und seiner Leistung.
Küngs Sieg, der zweite Erfolg an seinem 14. Renntag als Profi, war grandios. Und ich war mir sicher: Küng wird ein King. Er ist ein Jahrhunderttalent des Schweizer Sports.
Doch so einfach läuft es für ihn dann nicht. Seine Karriere stockt. Er stürzt, stürzt und stürzt und kann die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Es gibt Kritik an ihm, und es gibt Kritik am Blick, weil wir immer an ihn geglaubt haben, zu ihm gehalten haben. Weil wir wissen, dass es keine grosse Karriere ohne Rückschläge gibt.
Und jetzt, nach dieser Bronzemedaille, sind sich plötzlich alle einig: Das war ein Meilenstein in der Schweizer Radsport-Geschichte. Küng hat eingelöst, was er damals 2015 auf dem Boulevard de Pérolles im strömenden Regen mit seinem Sieg versprochen hatte.
Auch gestern regnete es, und als Küng am Ende seiner Kräfte als Dritter über die Ziellinie fuhr, wäre ich am liebsten zu ihm gelaufen und hätte wieder meinen Hut gezogen. Er hat es allen gezeigt: Küng ist ein King.