Am Tag danach ist es in Chur garstig. Es regnet, es windet, die Berge um die Stadt sind weiss eingezuckert. Ein Tag, an dem nicht mal Nino Schurter (32) gerne auf sein Mountainbike steigen würde!
Aber das muss unser Bike-Held auch nicht. Schurter geniesst daheim im Kreis seiner Familie seinen Sports-Awards-Triumph. Also mit den Menschen, die ihm neben den Vertrauenspersonen im Rennteam am meisten Rückhalt geben. Frau Nina (32), Tochter Lisa (3) und Ninos Schwiegereltern freuen sich riesig über die erste Trophäe, die der Bike-Dominator ohne kräftige Pedaltritte holte. Aber es war die letzte, die ihm in der grossen Titelsammlung noch fehlte.
«Wo zeigt der Mann mit seiner Hand hin?»
Der Bündner ist Schweizer Sportler des Jahres – im zehnten Anlauf! «Es ist gewaltig», sagt Schurter, als er BLICK bei sich zu Hause begrüsst. «Es ist eine riesige Ehre, als erster
Biker diesen Preis zu bekommen.»
Nino strahlt. Nach dem Olympiasieg und sieben WM-Titeln hat er nun auch die ersehnte Fach- und Publikumswahl gewonnen. Als Beweis steht
die schwere Trophäe auf dem grossen Esstisch.
Die Auszeichnung, die am Morgen danach sofort von Tochter Lisa bestaunt wird. Der Papa erzählt schmunzelnd: «Als Lisa den Preis entdeckte, fragte sie sofort: Was ist das für ein Mann? Wo zeigt er mit seiner Hand hin?» An seine Tochter wendet er sich in seiner Dankesrede am Abend zuvor sogar direkt und sagt: «Du durftest bis jetzt aufbleiben, jetzt musst du ins Bett.»
Was der Papa da noch nicht weiss: Lisa hat nicht bis 23 Uhr durchgehalten und wurde vor dem grossen Moment ins Bett gebracht. Mama Nina: «Den Einspieler, wo sie auf dem Velo zu sehen war, hat sie zur grossen Freude noch gesehen!»
Die Dreijährige, die bei der Heim-WM in der Lenzerheide auf dem Podest mit der Goldmedaille für herzige Momente sorgte, schlummert also beim nächsten grossen Sieg des Vaters friedlich vor sich hin. Schurter hingegen stockt gleichzeitig in Zürich mehrfach die Stimme, als er seine emotionale Dankesrede hält.
Tags drauf sagt er: «Es ist nicht einfach für einen Sportler, auf einer so grossen Bühne zu reden. Ich habe mich auch riesig für den Mountainbike-Sport gefreut. Die tolle Heim-WM hat sicher mitgeholfen, dass ich die meisten Fanstimmen holen konnte. Ich bin sicher, dass ich nicht der letzte Biker als Sportler des Jahres war.»
Nino auf Rekordjagd
Womöglich doppelt Nino ja sogar selber nach. Denn der Dominator hat noch immer Ziele. Bereits jetzt tüftelt er am Bike, das ihn 2020 in Tokio wieder zu Olympia-Gold tragen soll. Und auch der Weltcup-Siege-Rekord (33) reizt ihn – Schurter steht bei 30.
Aber zuerst ist Geniessen angesagt. Noch am Sonntag stösst Schurter mit seinem extra aus der Toskana angereisten Vater Ernst an. Dann gratulieren auch andere Sportler wie Dario Cologna. Viele andere melden sich via Social Media oder SMS – wie Ex-Marathon-Läufer Viktor Röthlin, der Nino letzten Sommer prophezeite, dass er die Sports Awards nie gewinnen wird. Schurter: «Er hat eben all die Jahre mit mir mitgelitten. Jetzt freut er sich riesig für mich.»
Bleibt nur die Frage: Wo bekommt der Award in der Wohnung seinen Ehrenplatz? «Vielleicht im Treppenhaus», sagt Schurter und stellt «den Mann» mit der grossen Bedeutung probehalber mal aufs Fensterbrett.