Schock-Bild aus dem Radsport beschäftigt Olympia-Arzt
«So etwas habe selbst ich noch nie gesehen»

Pawel Poljanski (27) erzeugt mit einem Instagram-Bild seiner geschundenen Beine Entsetzen. Sport-Arzt Walter O. Frey ist überrascht – hat aber Erklärungen parat.
Publiziert: 20.07.2017 um 08:41 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:28 Uhr
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«Müde Beine»: So kommentiert Pawel Poljanski sein Instagram-Bild, aufgenommen nach 2800 km Tour de France.
Foto: Instagram
Mathias Germann

Ein Instagram-Bild geht um die Welt. Nicht, weil Skandalöses zu sehen ist. Auch nicht, weil der Absender welt­berühmt ist. Nein, es ist die reine, visuelle Kraft des Fotos, die schockiert. Der Absender: Pawel ­Poljanski, ein 27-jähriger Rad-Profi aus Polen. Momentan an der Tour de France engagiert, ver­öffentlicht er nach zweieinhalb Wochen ein Bild seiner geschundenen Beine. Zu sehen sind Venen, die wie dicke Drähte unter der dünnen Haut an die Ober­fläche dringen. «Nach 16 Etappen sehen meine Beine etwas müde aus», schreibt Poljanski mit einer Prise Ironie dazu.

Vererbtes Venenleiden

Wie kommt so etwas zustande? Walter O. Frey, Schweizer Olympia-Arzt, sagt: «Das Foto wurde wohl gleich nach der Etappe aufgenommen. So etwas Extremes habe aber selbst ich noch nie ­gesehen.»

Warum sind die Venen Poljanskis so angeschwollen? Frey nennt drei Gründe. «Erstens hat er eine Venenwandschwäche, vermutlich aufgrund familiärer Veranlagung. Da kann er nichts machen.»
Frey weiter: «Zweitens haben Ausdauersportler wie Velofahrer extrem niedrige Fettwerte. Dadurch sind die Venen kaum von weiterem Gewebe ‹geschützt›, sondern sehr exponiert. Ähn­liches sieht man übrigens bei ­Bodybuildern.»

Schliesslich: «Drittens hat die extreme sportliche Leistung grossen Einfluss. Poljanski hat über viele Tage hinweg einen ­hohen senkrechten Blutfluss und kann die Beine nur selten hochlagern.»
Wer nun Angst hat, dass Poljanski gefährlich lebt, kann be­ruhigt sein. Zumindest für den Moment. Frey: «Das Ganze sieht grotesk aus. Es wäre aber nur ein Problem, wenn die Venen platzen sollten – zum Beispiel bei einem Sturz. Dann würde er wegen des grossen Drucks in den Venen mehr Blut als andere Fahrer verlieren.» Im Vergleich zu einer ­arteriellen Blutung sei dies aber vergleichsweise harmlos.

Mit Blick auf die Zukunft ist Poljanski aber gut beraten, wenn er vorsorgt. Frey: «Er sollte wenn immer möglich Kompressionsstrümpfe tragen. Sonst schafft er sich ein langfristiges Problem. Dann riskiert er, im Alter ‹offene Beine› zu bekommen. Das sind tiefe Wunden, welche häufig bei älteren Menschen entstehen und sich nicht mehr schliessen.»

Folgen von Clenbuterol?

Das Thema beschäftigt nicht nur Fachmann Frey, sondern auch ­medizinische Laien. Innert 24 Stunden nach der Veröffentlichung wird Poljanskis Instagram-Bild über 2000 Mal kommentiert.
Als Vergleich: Zu den elf weiteren ­Fotos, die er seit Tour-Beginn ins Netz stellte, gab es 68 Kommen­tare – zusammengerechnet, wohlverstanden.

Während dabei viele Menschen ihr Entsetzen zum Ausdruck bringen, gibt es auch kritische Stimmen. «Clembu?», fragt ein User vielsagend. Er meint Clenbuterol, einen Arzneistoff, der schon oft als Dopingmittel missbraucht wurde. Frey winkt ab: «Aufgrund dieses Bilds kann man überhaupt nicht sagen, ob der Athlet gedopt ist oder nicht.»

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