Um kurz nach acht Uhr gestern Morgen erreicht das Spektakel den Höhepunkt. Als Lance Armstrong aus dem Bus steigt, um in Le Vernet nahe Toulouse den ersten Teil eines Charity-Rennens in Angriff zu nehmen, wird er belagert wie der Träger des Gelben Trikots. Es sind fast surreale Umstände, durchaus mit den turbulenten Zeiten seiner sieben (inzwischen aberkannten) Tour-Titel vergleichbar. «Manche Dinge ändern sich nie», sagt Armstrong. Es klingt fast höhnisch.
Denn der Texaner hat das mediale Aufkommen schon vor Wochen mit der Ankündigung seiner Frankreich-Rückkehr während der Tour bewusst initiiert. So nah wie bei seiner Stippvisite gestern und heute war er der Tour seit 2010 nicht.
Schon am Dienstag hatte Armstrong für Aufregung gesorgt, als er sich via Twitter skeptisch über den Auftritt von Chris Froome und dessen Sky-Teamkollegen auf der 10. Etappe äusserte. Froome & Co. seien «sehr stark», schrieb Armstrong, um dann zu fragen: «Zu stark, um sauber zu sein? Fragt nicht mich, ich habe keine Ahnung.»
Seinen Andeutungen, die nicht einer gewissen Selbstironie entbehren, will der 43-Jährige gestern nichts mehr hinzufügen. «Es ist nicht mein Job, das zu beurteilen. Das ist alles», erklärt er, bevor er sich mit dem früheren englischen Fussballprofi Geoff Thomas und weiteren Begleitern auf den Weg macht, um Spenden im Kampf gegen Leukämie zu sammeln.
Manche hatten sich inständig gewünscht, Armstrong wäre ferngeblieben und hätte nicht den Dunstkreis der Tour ausgenutzt. Die Gefühle der Kritiker dürften einer früheren Schlagzeile der Tageszeitung «France Soir» ähneln, die den Verstossenen schon mal mit den Worten begrüsste: «Willkommen in Frankreich, Arschloch.»
Und doch tut Armstrong das, was Kritiker befürchtet haben: Er stiehlt der Tour die Show. Manche bleiben den ganzen Tag über an seinen Fersen, für die Stiftung von Thomas ist die Einladung Armstrongs deshalb zweifellos ein gelungener PR-Coup. Das Ziel, mit dem Projekt «One Day Ahead» eine Million Pfund an Spendengeldern zu bekommen, erhält noch einmal einen kräftigen Anschub.
Unterwegs betont Armstrong in weiteren Interviews, dass ausschliesslich die Unterstützung im Kampf gegen den Krebs sein Motiv zur Rückkehr nach Frankreich sei. «Ich fühle mich dem immer noch verbunden, das ist mir wichtig», so der gefallene Radstar, der vor 20 Jahren eine Hodenkrebs-Erkrankung überlebt hatte.
Dass ihm dennoch viel Ablehnung entgegenschlägt, kommentiert er routiniert wie eh und je: «Ich verstehe, dass es Vorbehalte gibt, die werden mich eine lange Zeit begleiten.» Auch dieser Tage in Frankreich.