«J'accuse...» schrieb der Humanist Émile Zola 1898 in einem offenen Brief. «Ich klage an.» Der Adressat: Kein geringerer als der französische Präsident. Der Artikel ging als Muster für eine mutige Meinungsäusserung gegen Machtmissbrauch in die Geschichte ein.
Ob sich Sébastien Reichenbach davon inspirieren liess, ist unwahrscheinlich. Aber: Auch der Rad-Profi klagt an – sowohl bei der Polizei als auch beim Rad-Weltverband UCI. Und auch er macht es öffentlich. «Um ein Zeichen zu setzen», wie er betont. Reichenbach will seinen Berufskollegen Gianni Moscon zur Rechenschaft ziehen. Doch was ist eigentlich passiert?
Rückblick: Vor zwei Wochen rollt Reichenbach beim Eintagesrennen «Tre Valli» mit 60 km/h hinten im Feld mit, er ahnt nichts Böses. Dann spürt er plötzlich einen Stoss! Der Mann aus Martigny VS verliert das Gleichgewicht, knallt mit voller Wucht auf den Asphalt, bricht sich den Ellenbogen. Später im Spital werden zusätzlich Mikrorisse im Becken diagnostiziert.
«Absichtlich zu Fall gebracht»
«Moscon hat mich absichtlich zu Fall gebracht hat. Das bestätigen verschiedene andere Athleten. Sie sind bereit, für mich auszusagen», sagt Reichenbach. Der 28-Jährige, der nach Operation an Krücken geht und monatelang ausfällt, sucht weiterhin nach einem Video. «Vielleicht hat ja ein Zuschauer die Situation gefilmt. Bisher hatte ich aber keinen Erfolg», so der FDJ-Profi.
Wenn man wissen will, weshalb ihn Moscon angriff, muss man das Rad der Zeit etwas zurückdrehen. Bei der Tour de Romandie im Frühling twitterte Reichenbach von einem Rassismus-Vorfall. Den Namen Moscon nannte er nicht. Trotzdem war klar, dass er den Italiener meinte. Untersuchungen bestätigten dessen Schuld, Moscon wurde vom eigenen Sky-Team für sechs Wochen gesperrt. «Und nun hat er sich an mir gerächt. Auf eine extrem feige Art», so Reichenbach.
Reichenbach will Exempel statuieren
Das ist Reichenbachs Version der Geschichte. Moscon wehrte sich zuletzt. «Das lasse ich nicht auf mir sitzen. Wenn die Wahrheit herauskommt, muss ich nichts fürchten», erklärt er. Auf Anfrage von BLICK will das Sky-Team nichts Weiteres dazu sagen, «ehe nicht alle Involvierten die Chancen gehabt haben, über die richtigen Kanälen ihre Version zu äussern.»
Für Reichenbach ist jetzt schon klar: Sollte es kommen, dass Aussage gegen Aussage steht, hat er mit seiner Klage wenig Chancen. «Es wird schwierig. Aber es geht darum, ein Exempel zu statuieren. Es gibt keine andere Lösung. Er muss dafür bezahlen.»