Auf dem Rad waren sie erbitterte Rivalen. Bekämpften sich mit allen Mitteln – auch unerlaubten. Doch menschlich sind sich die gefallenen Rad-Stars Jan Ullrich und Lance Armstrong näher als man meinen könnte. So nah, dass der Amerikaner diese Woche eigens nach Deutschland reiste, um seinem Ex-Kollegen in der schwersten Lebenskrise zur Seite zu stehen.
Auf Instagram postet Armstrong ein Foto, auf dem er und Ullrich freundschaftlich Hand in Hand nebeneinander sitzen. «Grossartig, den Tag mit diesem Mann zu verbringen. Wie viele von euch wissen, liebe ich Jan», schreibt der Texaner dazu. Auf dem Bild sitzen die beiden im Garten eines Hotels im fränkischen Bad Brückenau – in unmittelbarer Nähe zur Betty-Ford-Klinik, in der Ullrich vor ein paar Tagen seinen Entzug begonnen hat.
Während andere alte Freunde beklagen, dass sie nicht mehr an Ullrich herankommen, hat Armstrong die Initiative ergriffen. «Als Gegner war er so speziell für mich. Er machte mir Angst, er motivierte mich, er hat das Beste aus mir herausgeholt. Nun geht mein Freund durch schwere Zeiten. Ich konnte die Möglichkeit einfach nicht verpassen, nach Deutschland zu kommen und ein paar Tage mit ihm zu verbringen.»
Schon vor zwei Wochen hatte Armstrong angeboten, gemeinsam mit seinem Hausarzt nach Europa zu kommen, um Ullrich zu helfen. Wie viele andere in Ullrichs Umfeld hatte auch Armstrong erschütternde Videos seines einstigen Rivalen zu Gesicht bekommen, die dieser reihenweise im Bekanntenkreis herumgeschickt hat.
Eines zeigt Ullrich eines morgens in seiner Finca auf Mallorca. In erschreckend schlechtem Zustand. Teils brüllend, teils lallend. Konfuses und wirres Zeug erzählend. Mit deutlichen Ansagen an seine Bekannten, ihn in Ruhe zu lassen. Offenbar verschickte Ullrich solche Videobotschaften massenhaft. «Es waren manchmal hundert in der Nacht», so sein einstiger Teamkollege Matthias Kessler gegenüber t-online.de.
So hat denn auch Lance Armstrong nur einen Wunsch an all jene, die Ullrich trotz seiner Eskapaden nicht fallen lassen. «Bitte haltet Jan in all Euren Gedanken und Gebeten. Er braucht jetzt unsere Unterstützung.»