Horror-Akte unserer Downhill-Hoffnung Emilie Siegenthaler
«Knochenbrüche gehören in unserem Sport dazu»

Downhill-Mountainbikerin Emilie Siegenthaler (31) hat schon viel durchgemacht. Nun möchte die Bielerin an der Heim-WM in Lenzerheide glänzen. Nach einer Verletzung ist sie rechtzeitig fit.
Publiziert: 09.09.2018 um 10:09 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2018 um 17:13 Uhr
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Downhill-Bikerin Emilie Siegenthaler posiert vor dem imposanten Zielsprung der WM.
Foto: KEY
Marc Ribolla

Schlüsselbeinbruch, Handgelenk gebrochen, Kreuzbein angerissen, Nieren gequetscht. Emilie Siegenthalers Verletzungen der letzten Jahre lesen sich für einen Aussenstehenden wie eine Horrorakte. Die beste Schweizer Downhill-Mountainbikerin hat mit ihrem Körper schon vieles erlebt.

Auch kurz vor dem Saisonhöhepunkt, dem heutigen WM-Rennen in Lenzerheide, erwischt es Siegenthaler (31). Sie renkt sich Ende Juli im Training zur Schweizer Meisterschaft den linken Ellbogen aus. Doch der Wettlauf gegen die Zeit gelingt, Emilie ist rechtzeitig fit geworden – und kämpft heute um eine WM-Medaille.

Bieler Stadtwappen auf dem Bike

Den Ellbogen spürt sie vor allem ausserhalb des Sports noch. «Es ist angenehmer zu fahren, als beispielsweise mir die Haare zu waschen. Auf dem Bike verändert sich die Position des Ellbogens nicht stark», erzählt die stolze Bielerin, die auf ihrem speziellen WM-Bike sogar das Bieler Stadtwappen aufgemalt hat.

Mit dem Verletzungs-Schicksal hadert die studierte Sportpsychologin nicht. «Es ist blöd gelaufen, ich hatte Pech. Aber das gehört in unserem Downhill-Sport dazu. Du kannst zehnmal Glück haben bei einem Sturz und dann triffts dich doch», sagt Siegenthaler, die immerhin das ganze Jahr 2017 verletzungsfrei blieb.

Zum Schutz trägt die Downhillerin einen Helm, einen 3 Kilo schweren Rückenpanzer, Ellbogenschoner und eine Nackenstütze.

Dreieinhalb Minuten für 2,2 Kilometer

Downhill-Biker lassen sich gut mit den Ski-Abfahrern vergleichen. Beide bremsen möglichst wenig, hinzu kommen spektakuläre Sprünge. Wie an der WM in Lenzerheide der Zielsprung. Nach 2,2 Kilometer mit 413 Meter Höhenunterschied und rund dreieinhalb Minuten Fahrzeit.

«Es ist nicht unbedingt die schwierigste Stelle, aber die spektakulärste. Auch für die Fans», sagt Siegenthaler, die in der Quali am Freitag auf Platz sechs fährt, acht Sekunden hinter Bronze.

Von den vielen Schweizer Fans will sie sich antreiben lassen. «Nicht alle Athleten nehmen die Fans wahr. Mich beflügelt es aber unterwegs. Es ist ein eindrücklicher Moment, wenn du die Leute hörst. Der Druck ist vor dem Start am grössten. Aber es ist auch ein Privileg, das ich eine Heim-WM erleben darf», freut sich Emilie.

2017 war sie in Lenzerheide Dritte

Mit der extrem schnellen Strecke in Lenzerheide kommt sie bestens zurecht. Im Juli 2017 fuhr sie im Weltcup als Dritte aufs Podest. Herausfordernd sei es, weil sie vom Untergrund her steinig sei. «Schwierig ist, rasch in den richtigen Flow zu kommen. Wenn ich im Ziel mit meiner Leistung zufrieden bin, dann ist es gut.»

Die Downhiller stehen in der Schweiz seit Jahren im Schatten der Cross-Country-Piloten, die auch an Olympia starten dürfen. Es fehlen die grossen Stars und Erfolge, damit die Disziplin stärker wahrgenommen wird.

«Das lässt sich nur schwer verändern. Mit Helden wie Nino Schurter oder Jolanda Neff gibts im Cross Country Vorbilder für die Jugend. In England ists grad umgekehrt. Dort sind die Downhiller stark», sagt Siegenthaler.

Auch sie kommt ursprünglich vom Cross Country, wo sie einst Schweizer Meisterin und Junioren-Europameisterin war. Wegen einer Viruserkrankung sattelte Emilie 2007 auf Downhill um. Und blieb dabei. Die Entwicklung ihrer Disziplin sieht sie optimistisch – geizt aber auch nicht mit Kritik.

«Bei uns passiert nichts»

«Die Downhill-Strecken sollten wieder technischer werden, nicht nur schneller. Auch bezüglich der Sicherheit. Als Athleten haben wir wenig Einfluss. Bei einer Ski-Abfahrt wird nach Kritik der Fahrer sofort am Sprung oder der Linienführung gearbeitet. Bei uns passiert nichts», meint Siegenthaler.

Ihrem Sport will die bald 32-Jährige, die beim Team Pivot Cycles fährt, treu bleiben. «Ich habe noch Lust weiterzufahren. Mindestens ein bis zwei Saisons.» Hoffentlich verletzungsfrei, damit ihre Kranken-Akte nicht noch grösser wird.

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