«Hilfe, ich bin ein Star!»
WM-Zeitfahren-Favorit Dumoulin meidet das Rampenlicht

Er sieht gut aus und ist unglaublich schnell: Tom Dumoulin. Aber: Der Giro-Sieger aus Holland würde am liebsten unerkannt durchs Leben gehen.
Publiziert: 20.09.2017 um 11:52 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:55 Uhr
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Die Dumoulin-Party: Holland verneigt sich vor dem Giro-Sieger.
Foto: KEY
Mathias Germann

Millionen Herzen fliegen ihm zu. Tom Dumoulin könnte allerdings gut auf sie verzichten. Der Velo-Profi aus Holland hat Probleme mit seiner Berühmtheit. «Ich will kein Star sein», sagt er. Und gibt im gleichen Atemzug zu: «Manchmal fühle ich mich in dieser Rolle nicht wohl.»

Das Problem: Seit seinem sensationellen Giro-Sieg im vergangenen Frühling ist in Dumoulins Leben nichts mehr, wie es einmal war. Kein Schritt bleibt unbeobachtet, keine Aussage unkommentiert. Dass er mit Sunweb jetzt auch noch Weltmeister im Teamzeitfahren wurde, verstärkt den Rummel exponentiell.

Vor allem in seiner Heimat Holland ist die Euphorie rund um den «Schmetterling aus Maastricht» riesig, haben sie doch im Tulpen-Land Dort sie fast drei Jahrzehnte und nach einem neuen Rad-Helden gelechzt. Nach einem Nachfolger von Joop Zoetemelk, der 1980 mit der Tour de France als letzter Oranje-Profi eine Grand Tour gewann. 

Nun also haben sie den Nachfolger. Gross, erfolgreich, gut aussehend ist er – dazu trägt er das Herz bisweilen auf der Zunge. So kritisierte er zwei seiner grössten Gegner beim Giro öffentlich: «Ich habe mich heute über Nibali und Quintana geärgert. Sie sind nur gegen mich gefahren. Und haben dabei ihre Podiumsplätze riskiert. Das verstehe ich nicht.» 

Diese Offenheit wird geschätzt, sie wirkt erfrischend – und zwar egal, ob man inhaltlich einverstanden ist oder nicht. Gleichzeitig beweist «Il Bello» (Der Schöne), wie er in Italien genannt wird, auch Humor.

So kann er darüber lachen, wenn ihm Zuschauer am Strassenrand mit WC-Papier zujubeln. «Kein Problem, ich finde das witzig.» Der Hintergrund: Beim Giro musste er beim Anstieg zum Stelvio mitten in Mutter Natur seine Notdurft erledigen. Eine Szene, die um die Welt ging.

Heute wird Dumoulin erneut im Fokus stehen. In Bergen (No) könnte er im Einzelzeitfahren sein zweites WM-Gold holen. Damit ginge ein Traum in Erfüllung. 

Die Kehrseite der Medaille ist ihm mittlerweile bekannt. Im Wissen, dass es im Widerspruch zu seinem Streben nach Erfolg ist, sagt er: «Wenn ich weiter Erfolg habe, wird es nicht enden. Ich muss meinen Weg finden, damit umzugehen. Auch wenn ich eigentlich nur ein normaler Mensch sein will, der schnell Rad fährt.»

Küng: Top Ten als Ziel

Der grösste Schweizer Trumpf beim Einzelzeitfahren über 31 Kilometern ist Stefan Küng (23). Der Thurgauer dämpft aber die Erwartungen: «Ich zähle mich nicht zu den Medaillenanwärtern. Ein Platz in den Top 10 ist realistisch.»

Küngs Vorsicht ist der Topographie des Kurses geschuldet, wobei vor allem der drei Kilometer lange Schlussanstieg zum Mount Floyen Respekt einflösst. «Da bin ich mit meinen 83 Kilo einfach zu schwer», so Küng.

Zu den Gold-Favoriten zählt er deshalb andere: «Tom Dumoulin und Chris Froome.» Ihr Kampfgewicht: 69 Kilo. Frustriert ist der Silbermedaillen-Gewinner im Teamzeitfahren aber nicht. «Im letzten Jahr in Doha hatten wir einen komplett flachen Kurs. Diesmal ist es anders, andere Fahrertypen wittern ihre Chance. Das ist so in Ordnung.»

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