Der ganze Oberkörper schmerzt. Stefan Küng (21) hat die Nacht kaum geschlafen. Er liegt im Spitalbett, darf sich nicht bewegen. Auf dem italienischen TV-Sender RAI sieht er, wie andere Rennfahrer auf der 13. Giro-Etappe (Sieger Modolo, It) Pech haben. Doch die verlieren nur Zeit und brechen sich keine Wirbel.
3100 Meter vor dem Ziel in Jesolo fliegt das halbe Feld auf den nassen Asphalt. Leader Alberto Contador (Sp) fährt erst in einem zweiten Feld ins Ziel. Hätte sich der Sturz innerhalb der letzten 3 Kilometer ereignet, wäre eine Neutralisation erfolgt.
Doch Contador verliert sein Rosa-Leadertrikot an Fabio Aru. Der Italiener machte dank des Pechs des Spaniers aus einem Rückstand von 17 Sekunden einen Vorsprung von 19 Sekunden.
Stefan Küng schiessen seine Bilder vom Vortag durch den Kopf. Er sieht sich 25 Kilometer vor dem Ziel der 12. Etappe. Er hat beide Hände an den Bremshebeln. Er hört die Warnung seines Sportlichen Leiters Valerio Piva (It), in der Abfahrt «gar nichts» zu riskieren.
So fährt er in der «Corsara» mit respektvollem Abstand hinter zwei Fahrern des polnischen Teams CCC Sprandi Polkowice. Was Stefan Küng nicht weiss: Beide haben ihre Reifen zu stark gepumpt, was sich im Regen fatal auswirkt. «In einer Linkskurve stürzen beide», meldet Stefan Küng aus dem Spital in Vicenza. «Ich versuchte auszuweichen, aber beide lagen verstreut auf der Strasse. Ich touchierte ein Velo, knallte mit dem Kopf auf den Asphalt.»
Stefan Küng steht auf und versucht weiterzufahren. Im Kopf hat er das Zeitfahren vom Samstag, seinen letzten Einsatz an diesem Giro. Dann hätte er aufgegeben, um sich für die Tour de Suisse vorzubereiten. Daraus wird jetzt nichts.
«In der Ambulanz habe ich geweint», gesteht Stefan Küng. «Ich hatte jeden Tag nur dieses Giro-Zeitfahren und die Tour de Suisse im Visier. Jetzt liege ich im Spital. Die Diagnose ist ein Schock.»
Das grösste Schweizer Talent wird laut Teamarzt Max Testa 12 bis 16 Wochen pausieren. «Stefan hatte nie ein neurologisches Problem, der Wirbelbruch ist stabil. Aber er wird zur Beobachtung noch einige Tage im Spital von Vicenza bleiben.»