Froome will Tour-Sieg Nummer 4
«Mein Sohn hat mein Leben verändert»

Respektiert, aber nicht geliebt? Im Interview mit BLICK spricht der dreifache Tour-de-France-Sieger über sein Image, Roger Federer, Sohn Kellan (2) und Speerfischen.
Publiziert: 01.07.2017 um 13:30 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 13:34 Uhr
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Tour-de-France-Sieger 2016 Froome of Britain mit Frau Michelle und Sohn Kellan. (AP Photo/Christophe Ena)
Foto: AP Photo
Mathias Germann

Unterkühlt, distanziert, verschlossen: Das Bild, welche viele Rad-Fans von Chris Froome (32) haben, ist nicht das Beste. Liegt es daran, dass der in Kenia aufgewachsenen Brite einst als Helfer von Bradley Wiggins seinen Chef in der Tour de France attackierte? Vielleicht auch. Aber nicht nur, schliesslich gewann Froome danach die Tour de France. Und später noch zweimal. «Es ist einfach so, dass ich mich gegenüber Menschen nicht so schnell öffne – ich bin eher scheu. Aber wenn jemand mit mir spricht, wird er seine Meinung vielleicht ändern», sagt Froome im Gespräch mit BLICK – und ist dabei offen, zuvorkommend und äusserst freundlich.

BLICK: Chris Froome, spielen Sie Tennis?
Froome: Als Teenager habe ich mit Freunden in der Schule oft gespielt. Ich habe es genossen. Aber warum fragen Sie?

Anfang Jahr haben Sie den Schweizer Halbfinal bei den Australian Open zwischen Roger Federer und Stan Wawrinka hautnah im Stadion erlebt. Wie kam es dazu?
Ich flog für das «Cadel Evans Great Ocean Road Race» nach Australien. Dann fragte mich Cadel an, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm ein Match in der Arena zu schauen. Dank dem australischen Tourismusverband bekamen wir Erste-Reihe-Tickets. Es war toll – eine Ehre, derart nahe an solch fantastischen Spielern zu sein. 

Was hat sie am meisten beeindruckt?
Abgesehen von ihrer sportlichen Leistung war es faszinierend zu beobachten, was auf psychologischer Ebene zwischen den Spielern ablief. Es ist ja nicht nur ein Kampf der Taktik und der Physis, sondern auch des Kopfs. 

Das gibt es im Radsport auch...
Genau. Bei Bergetappen erlebe ich diese psychologische Kriegsführung oft. Auch da versucht jeder, dem anderen zu zeigen: Ich bin stärker als du! Auch wenn dies manchmal gar nicht der Fall ist (schmunzelt).

Konnten Sie nach dem Spiel noch mit einem der Beiden reden?
Nein, leider nicht. 

Federer holte kurze Zeit nach dem Sieg über Wawrinka seinen 18. Grand-Slam-Sieg. Was denken Sie über ihn?
Es ist einmalig, was er im Tennis geleistet hat. So lange an der Spitze einer Sportart zu sein, ist ziemlich selten. Das ist bewundernswert. 

Würden Sie ihn gerne treffen?
Sicher. Wie mir scheint, ist er ein liebenswürdiger, nahbarer Typ. 

Sie haben die Tour de France drei Mal gewonnen. Wie viele Siege sollen es noch werden?
Zwei, das wäre schön! Dann wäre ich einen Schritt näher an den ganz Grossen des Radsports. 

Sie sprechen Anquetil, Merckx, Hinault und Indurain an, welche die Tour fünf Mal gewannen. Wie viele Jahre geben Sie sich noch, um aufzuschliessen?
Sechs oder sieben Jahre möchte ich schon noch aktiv sein. 

Dann wären Sie fast 40!
Man kann auch in einem hohen Alter noch Herausragendes leisten. Federer ist das beste Beispiel dafür und eine Inspiration für mich – auch wenn er einen anderen Sport ausübt.

Sie könnten auch zurücklehnen und Ihre Erfolge einfach geniessen. Woher kommt die Motivation, sich Jahr für Jahr auf dem Rad zu schinden?
Mich fragen tatsächlich viele Leute: ‹Warum willst du immer wieder das gewinnen, was du schon gewonnen hast?› Ich antworte: Jeder Tour-Sieg ist anders, hat seine eigene Geschichte. Ob Sie es glauben oder nicht: Immer wenn ich nach drei Wochen in Paris die Ziellinie überquerte, dachte ich: Ich kann es kaum erwarten, in einem Jahr zurückzukehren!

Was macht die Faszination für die Tour aus?
Sie ist magisch. Es ist ein Rennen, das über drei Wochen geht – einer der zermürbendsten Wettkämpfe überhaupt. Bei keinem anderen Rennen herrscht so viel Trubel, gibt es so viele Medien, lastet so viel Druck auf den Schultern der Fahrer. Alles ist eine Stufe höher als sonst.

Für viele Fans galten Sie lange als unterkühlt. Sie sahen in Ihnen einen Fahrer, der mehr mit Verstand als mit Herz fährt. Dem Wattzahlen wichtiger sind als Emotionen. Einverstanden?
Schwierig zu sagen. Ich habe immer versucht, so offen und nahbar wie möglich zu sein. Es ist einfach so, dass ich mich gegenüber Menschen nicht so schnell öffne – ich bin eher scheu. Aber wenn jemand mit mir spricht, wird er seine Meinung vielleicht ändern. Dann wird er ein anderes Bild von mir als jenes aus dem TV haben, wo er mich nur mit Helm und hinter einer Sonnenbrille sieht. 

Mein Eindruck ist, dass man Sie heute positiver sieht. Ist diese Wandlung logisch?
Wahrscheinlich schon, ja. Zu Beginn kannten mich die Leute wohl noch nicht so gut. Das hat sich verändert. Letztlich sind auch wir Radfahrer ganz normale Menschen – es gibt keinen Grund, warum wir über anderen stehen sollten. 

Im Dezember 2015 wurden Sie erstmals Vater. Was hat dieses Ereignis mit Ihnen gemacht?
Kellan hat mein Leben definitiv verändert. Aber nur im positiven Sinn.

Inwiefern?
Dank ihm macht es noch mehr Sinn, Rennen zu fahren. Er ist eine riesige Motivation. Kellan soll eines Tages stolz auf das sein, was ich erreicht habe. 

Hat er Sie zu einem anderen Menschen gemacht?
Er hat meinen Horizont erweitert. Wenn man sich auf ein Rennen wie die Tour de France konzentriert, lebt man monatelang nur für dieses Ziel. Das saugt einen aus. Umso wichtiger ist es, auch in einer solchen Phase Ablenkung zu haben. Wenn ich nach dem Training daheim über die Türschwelle laufe, vergesse ich das Radfahren komplett – da habe ich mit Kellan genug um die Ohren (schmunzelt). Das ist fantastisch. 

Sie sagten vorhin, dass Sie noch sechs bis sieben Jahre fahren wollen. Kellan wird Sie also bewusst als Rad-Profi erleben...
Ich hoffe es. Durch das Radfahren kann man viel fürs Leben lernen. Man ist draussen, in wunderschöner Natur, hat viel mit völlig unterschiedlichen Menschen aus vielen Nationen zu tun. Das alles ist sehr wertvoll. Sollte Kellan eines Tages selber Velo fahren, werde ich ihn sicher unterstützen. 

Zu Beginn haben Sie darüber gesprochen, dass Sie als Teenager gerne Tennis gespielt haben. Doch da ist noch ein viel spezielleres Hobby!
Das stimmt (lacht). Ich liebe Speerfischen, das habe ich in Kenia, wo ich aufwuchs, früh entdeckt. Es ist so friedvoll unter Wasser, man taucht in eine andere Welt ab. Gleichzeitig geniesse ich die Jagd. Im Idealfall habe ich danach auch gleich noch einen Fisch fürs Abendessen (schmunzelt).

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