Der Himmel auf der Allmend in Frauenfeld TG weint. Mal sind die Regentropfen grösser, mal kleiner. Das Thermometer schafft es nicht über die 13-Grad-Marke, dazu weht eine leichte Brise. Man könnte meinen, das Wetter passe perfekt zum Anlass. Schliesslich startet Rad-Profi Michael Albasini (39) zu seiner letzten Tour de Suisse. Es ist keine Richtige, denn diese wurde wegen Corona gestrichen.
Albasini wird darum alle Etappen im privaten Rahmen abfahren – mitten im Verkehr und an der Seite von Freunden und Wegbegleitern. «Ich freue mich riesig darauf und verspüre keine Wehmut. Ich habe momentan auch nicht das Gefühl, dass ich etwas verpasse.»
Nach dem Frust kam das Glück
In den letzten Wochen war das anders. Kein Wunder: Nach 17 Profi-Jahren wollte Albasini mit der Schweizer Rundfahrt seine Karriere beenden und danach mit Ehefrau Corinne und den drei Söhnen Gioele, Gianin und Leano die USA bereisen. «Als klar war, dass nichts davon klappen würde, hatte ich schon zu kämpfen», gibt er zu.
Doch dann kam Stefan Küng (26). Der WM-Dritte von 2019 hatte die Idee der «Tour de Albasini». Und stiess auf Begeisterung. Küng wird seinen Freund während der ganzen Woche auf dem Rad begleiten. Das war für Albasini nicht die einzige gute Nachricht. Die Equipe Mitchelton-Scott verlängerte kürzlich seinen Vertrag bis Ende Jahr. «Ich beende damit meine Karriere zum Glück im Sattel und nicht auf der Couch.»
Sogar 118-Kilo-Mann Nöldi Forrer hält gut mit
Man spürt: Albasini ist wieder happy. Und genau darum kann ihm das Schmuddelwetter an diesem Sonntag auch nichts anhaben. Insgesamt 300 Freunde und Wegbegleiter – so viele erlauben die Behörden derzeit– sind zu seiner ersten Tour-Etappe gekommen. Einige davon begleiten Albasini auf der 10-Kilometer-Runde und haben sichtlich Spass. Schwingerkönig Nöldi Forrer (41) ist besonders gut gelaunt. Der 118-Kilo-Gigant meint nach der Zieleinfahrt mit einer Bratwurst in der Hand: «Wenn ich gewusst hätte, dass die Tour de Suisse so einfach ist, wäre ich auch Radprofi geworden!»
Forrer ist nicht der einzige Spitzensportler, der Albasini die Ehre erweist. Auch die Leichtathletinnen Selina Büchel (28) und Salomé Kora (25) sind da. Letztere meint: «Ich bewundere Alba und das, was er geleistet hat, sehr. Ich bin Sprinterin und kann es mir überhaupt nicht vorstellen, wie es ist, sich so auf dem Velo zu quälen.» Gleich geht es Kunstturner Pablo Brägger (27), dem Explosivität ebenfalls wichtiger als Ausdauer ist. Nur eine Klage hat er. «Weil ich kein Schutzblech hatte, bin ich jetzt von oben bis unten mit Schlamm bedeckt», sagt er lachend.
Zukunft ist noch unklar
Noch ist für Albasini nicht Schluss – auch nach seiner eigenen Tour nicht. Fest steht jedoch: Ein «echtes» Rennen in der Schweiz wird der ausgebildete Primarschullehrer nie mehr bestreiten. Schliesslich ist der WM-Parcours in Aigle/Martigny Ende September für den Puncher schlicht zu bergig. Und was folgt 2021?
Swiss-Olympic-Präsident Jürg Stahl sagt: «Alba war und ist immer ein wichtiges Vorbild für den Nachwuchs. Ich hoffe, dass er weiter in der Rad-Szene bleibt.» Das ist noch offen. Albasini: «Zuerst beende ich jetzt mal meine Karriere. Dann schaue ich weiter.»