Liebend gern würde Ferdy National in den nächsten Tagen die Profis an der Strecke auch noch einmal selbst besuchen. «Aber es geht nicht. Mein Körper ist müde, überall Schmerzen, das Atmen fällt mir schwer», sagt er leise und traurig. Dann beginnen seine Augen doch wieder zu leuchten. «Leute, geht an die Strasse! Ich schaue mit meiner allerliebsten Frau Christina daheim am Fernseher. Und es beginnt bei mir dann sicher doch wieder zu kribbeln.»
Wenn einer als Schweizer Radprofi dreimal die eigene Landes-Rundfahrt gewinnt, dann hat er das Zeug zum Helden. Wenn dann noch ein Tour-de-France-Sieg (1950) und ein Strassen-WM-Titel (1951) dazu kommen, reicht das gar zur Würdigung als Schweizer Sportler des Jahrhunderts.
Ferdy Kübler hat all das erlebt. Nur er und Hugo Koblet (†1964) haben als Schweizer jemals den Tour-de-Suisse-Hattrick geschafft. Kübler 1942, in seinem dritten Profi-Jahr – 8:20 Minuten vor Landsmann Willi Kern, 1948 gar mit 18:10 Minuten Vorsprung auf Giulio Bresci (It) und 1951 gewann er 4:15 Minuten vor Koblet. «Das waren für mich wunderbare Erfolge. Und viel die härteren Rennen als heute. Wir fuhren in fünf Tagen 1900 Kilometer, heute sind es noch 1300 in neun Tagen», sagt Kübler gestern.
All seine TdS-Siege endeten für den bescheidenen Schuhmacher-Sohn mit der Schlussetappe in oder bei der offenen Rennbahn in Oerlikon ZH, wo er von den Massen gefeiert wurde. «Damals war halt noch alles anders. Ohne Fernseher strömten die Leute direkt zu uns Fahrern. Die Tour de Suisse war ein riesiges Volksfest.»
Ferdy sagt zwar: «Ich bin auch im Kopf nicht mehr vif.» Doch das glauben wir nicht. Denn Kübler beginnt daheim in seiner Stube in Birmensdorf ZH vom vergangenen Giro zu erzählen. «Als Stefan Küng so schwer gestürzt ist, habe ich den Fernseher abgestellt», sagt er. «So ein Super-Talent – ein intelligenter und schöner Fahrer. Und Küngs Name beginnt erst noch mit ‹Kü› – genau so wie meiner. Schade, dass der Junge an der Tour de Suisse nicht fahren kann.»
Zum Schluss unseres Besuchs wird Ferdy National wieder nachdenklich, schwenkt aus der Vergangenheit in die Gegenwart und fragt: «Gibt es überhaupt einen Schweizer, der in diesem Jahr bei der Tour etwas gewinnen kann?»