Der Belgier Rudy Pevenage (64) war einer der engsten Vertrauten von Jan Ullrich (44). Der ehemalige Radprofi (Etappensieg und 9 Tage Gelbes Trikot bei der Tour 1980) begleitete als sportlicher Leiter beim Team Telekom und als persönlicher Berater die Karriere des Deutschen von den Anfängen als Profi 1995 bis zum Doping-Knall 2006, der Ullrichs sportliches Ende markiert.
Bis heute pflegt Pevenage engen freundschaftlichen Kontakt zu seinem ehemaligen Schützling. Doch nach Ullrichs Absturz in den letzten Wochen macht er sich grosse Sorgen. Vor allem, weil der Toursieger von 1997 in die Fänge eines dubiosen Geschäftsmanns geraten ist. Gegenüber der belgischen Zeitung «Het Laatste Nieuws» schildert Pevenage nun die dramatischen Entwicklungen der letzten Monate. BLICK veröffentlicht die spannendsten Passagen.
Pevenage deckt auf
«Jan hat sicher Fehler gemacht. Aber was ihm in den letzten Wochen widerfahren ist, wurde von aussen beeinflusst. Es lief schon einige Zeit nicht gut mit seiner Frau Sara. Sie warf ihm vor, dass er zuviel trinkt. Im letzten Oktober ist sie ausgezogen und zurück zu ihrer Familie ins Allgäu gegangen. Mit den Kindern. Am Anfang reiste Jan noch alle zwei Wochen von Mallorca nach Deutschland. Aber das funktionierte nicht.
Jedes Mal, wenn ich ihn besucht habe, fühlte ich, dass die Spannungen zwischen ihnen grösser werden. Er hat dennoch alles versucht: Zwischen Oktober und März hat er keinen Tropfen Alkohol getrunken. Er wollte sein Leben auf Mallorca aufgeben und ins Allgäu ziehen, um bei ihr und den Kindern zu sein.
Im Winter wurde Jan in München zweimal am Knie operiert. Aber die OPs waren nicht wirklich erfolgreich. Er hat weiterhin Schmerzen. Wir gingen zusammen Radfahren – er auf dem e-Bike – aber nach 25 km war sein Knie bereits stark angeschwollen. Das machte ihm natürlich Sorgen, denn er begleitet ja Fahrrad-Reisen auf Mallorca. Seit Ostern ging dann endgültig alles den Bach ab. Sara machte ihm klar, dass sie für sie beide keine Zukunft mehr sah. Das hat Jan gebrochen, die Kinder bedeuteten ihm alles. Er durfte keinen Kontakt mehr mit ihnen haben, nicht mal facetimen.
Der Scharlatan tritt in Ullrichs Leben
In dieser Zeit hat sich Gerd K. bei ihm eingeschlichen. Es begann im letzten Herbst, als K. ihm eine Wundermaschine aus Russland verkaufte, deren Frequenzwellen angeblich alles heilen. Kompletter Unsinn natürlich. Aber Jan glaubte daran. Er kaufte eine für 18'000 Euro. K. hat Jan auch eingeredet, dass er gesünder lebt mit Whiskey. Zwei Flaschen Whiskey am Tag und seine Blutwerte seien perfekt.
Im Schlepptau von K. sind andere dubiose Figuren aufgetaucht. Osteuropäer. Auch eine Frau, um Jan zu verführen. Aber das gelang nicht. Die Clique von K. hat alles Mögliche gestohlen aus seinem Haus: teure Uhren, Sonnenbrillen, solche Sachen. Jan hat ihnen allen einen Job gegeben. Auf einmal hatte er einen Boxtrainer, einen Gärtner, einen, der für ihn einkaufen ging. Ich selbst habe K. einmal gesehen bei Jan. Ein unauffälliger Typ. Er wohnte in Jans Finca. Ich habe Jan auf ihn angesprochen, weil ich ihn nicht vertrauenswürdig finde. Aber für Jan ist K. unantastbar. Alle von Jans alten Freunden sagen dasselbe: K. ist ein Scharlatan.
Hat es Gerd K. auf Ullrichs Vermögen abgesehen?
K. ist es sogar gelungen, Jan eine notariell beglaubigte Vollmacht unterschreiben zu lassen. Er hat es offenbar auf seine Immobilien abgesehen. Jan besitzt mehrere Häuser in Berlin, eines in Rostock, wo seine Mutter wohnt, und eines in der Schweiz. Das steht jetzt für 5 Millionen Euro zum Verkauf. K. hat die Vollmacht, diese Häuser zu verkaufen. Aber was passiert mit dem Geld aus den Verkäufen? In welchen Taschen verschwindet es?
Vor einem Monat hatte Jan eingewilligt, mit mir nach Deutschland zu fliegen und sich in eine Entzugsklinik einweisen zu lassen. Aber dann haben sie auf ihn eingeredet, dass er doch gesund sei. Und mit wem ist er letztlich vor einer Woche nach Deutschland gereist? Gerd K. und zwei seiner Handlanger. Wer hat Jan einen neuen Anwalt besorgt? Gerd K.! Wer hat Jan in Frankfurt zugedröhnt in das Hotel geführt und ihm die Prostituierte besorgt? Gerd K.! Meiner Meinung nach verfolgt K. den Plan, dass Jan für unzurechenbar erklärt wird, damit er mit seiner Vollmacht beim Verkauf von Jans Immobilien freies Spiel hat.
Einige seiner alten Freunde haben mit Händen und Füssen probiert, ihn aus den Klauen von K. zu befreien. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass Jan endlich einsieht, dass K. ein schlechter Mensch ist. Jan rief mich Montag letzter Woche nach dieser dramatischen Nacht in Frankfurt an und sagte, dass sie ihn einkassiert hätten. Wenn er nun noch erkennt, wer dafür verantwortlich ist, ist es vielleicht noch nicht zu spät. Aber erstmal braucht er einen Arzt und Medikamente, die ihm helfen, vom Alkohol und den Drogen loszukommen.»