Deutschlands Slalom-Altmeister Frank Wörndl wird im nächsten Sommer 60. In dieser Zeit hat der Allgäuer viele verrückte Geschichten erlebt. 1987 wurde der Mann mit den dunkelbraun gelockten Haaren in Crans Montana ohne Weltcupsieg auf dem Konto Slalom-Weltmeister.
Zwölf Monate später musste Wörndl die im Olympia-Slalom von Calgary erkämpfte Silbermedaille als Depot hinterlassen, weil er für die anschliessende Party in einem Strip-Schuppen zu wenig Bargeld in der Tasche hatte.
Ein trauriges Kapitel in Wörndls Biografie schreibt jetzt sein langjähriger Freund, Deutschlands tief gefallener Rad-Held Jan Ullrich.
Aber der Reihe nach. Wörndl und Ullrich lernen sich in den 90er Jahren auf dem Gletscher von Sölden kennen. «Ullrich weilte damals mit dem Team Telekom im Tirol, der Deutsche Abfahrer Hannes Zehentner und meine Wenigkeit sollten den Rad-Profis die richtige Ski-Technik beibringen» erinnert sich Wörndl und erzählt, warum ihm Jan Ullrich auch auf der Ski-Piste besonders imponierte: «Das Thermometer zeigte Minus 26 Grad an, Jan fuhr trotzdem ohne Mütze und ohne Handschuhe. Und weil seine Skischuhe zu heftig auf seine Wollsocken gedrückt haben, trug er arge Schürfungen davon. Trotzdem fuhr er immer weiter. Da wurde mir ein erstes Mal klar, dass dieser Mann eine besondere Leidensfähigkeit an den Tag legt.»
Seit ein paar Wochen leidet Wörndl besonders heftig mit Ullrich. Im Juni hat Frank den Jan auf dessen Finca auf Mallorca besucht. In dieser Zeit musste der Eurosport-Kommentator mitansehen, wie sich sein Freund zu Grunde richtet: «Weil er unter Depressionen und der Aufmerksamkeitsdefizit- und der Hyperaktivitätsstörung ADHS leidet, konsumiert Jan übermässig Alkohol und Drogen. Er hat vor meinen Augen mit zwei Mal ansetzten eine Flasche Whiskey gesoffen und fünf Zigaretten gleichzeitig geraucht.»
Im Rausch habe Ullrich dann seine TV-Geräte ins Visier genommen. Wörndl: «Ich habe in Ullrichs Villa ein paar Spiele der Fussball-WM versäumt, weil Jan mit dem Luftgewehr sechs Fernseh-Bildschirme zerschossen hat. Am Tag danach kommentierte Jan diese Aktion mit den Worten 'das ist Rock n Roll, Elvis Presley hat ja auch mit einer Knarre auf seine Fernseher geballert'.»
Aber weil Wörndl verhindern möchte, dass Ullrich so früh endet wie der grosse Elvis, wollte er handeln: «Ich habe auf Mallorca in Anwesenheit von anderen Ullrich-Freunden angekündigt, dass ich Jan in eine Entzugs-Klinik bringen werde – notfalls auf gewaltsame Weise. Als Jan von meinem Plan erfuhr, hat er mich von seiner Finca geworfen.»
Seit diesem Zeitpunkt gibt es zwischen dem Ski- und der Rad-Legende kaum noch Kontakt. Wörndl: «Ich habe dem Jan zuletzt aber gesagt, dass meine Türe auch dann noch für ihn offen sei, wenn er nur noch in Unterhosen dastehen sollte.»
Wörndl ist aber nach wie vor davon überzeugt, dass der Tour de France Sieger von 1997 die Kurve noch einmal kratzen könnte: «2008 war Jan schon einmal in einem ähnlich schlechten Zustand wie jetzt. Da hat er auch zwei Jahre lang überhaupt keinen Sport gemacht. Aber dann konnte ich ihn für die Teilnahme am Ötztaler Rad-Marathon begeistern, dann ging es wieder aufwärts mit ihm. Deshalb glaube ich fest daran, dass er auch diese Krise meistern kann. Dazu braucht er aber einen Entzug, echte Freunde und die Liebe seiner Kinder.»