Erst kommt der Durst. Kwaremont-Bier schmeckt. Fabian Cancellara (35) leert die kleine Flasche fast in einem Zug. Dann fliessen die Tränen. Was soll er im Zielauslauf auch sagen. «Es ist, wie es ist. Zweiter ist halt nicht Erster.»
Ein paar seiner Gegner und Freunde hat es schlimmer erwischt. Mitfavorit Van Avermaet (Be) bricht sich bei einem Sturz das rechte Schlüsselbein. Der Luzerner Michi Schär (29) holt sich ein Schleudertrauma. Martin Elmiger (36) hat das linke Handgelenk lädiert.
Neben Cancellara fahren Stefan Küng (60.) und Reto Hollenstein (68.) als einzige Schweizer das 255 km lange Rennen fertig.
Fabian hat in der 100. Auflage der Flandern-Rundfahrt einen Moment, eine Sekunde gezögert. 30 km vor dem Ziel reagiert er zweimal nicht, als sich Weltmeister Sagan (Slk) zusammen mit Kwiatkowski (Pol) und dann Vanmarcke (Be) absetzen.
Der Berner bleibt am Hinterrad seines Teamkollegen Devolder. Doch der Rückstand zum ausgerissenen Trio wird immer grösser. Cancellara verliert eine halbe Minute – dann handelt er.
Ein Fehler mit Folgen. Er sieht es anders: «Ob es ein Fehler war? Ich weiss es nicht», erklärt Cancellara. «Ich kann nicht jedem nachfahren. In unserer Gruppe hatte es andere, die hätten reagieren sollen.» Aber sie haben gewartet und so Fabian «verseckelt».
Am Kwaremont, in der zweitletzten der 18 Steigungen, attackiert er. An allen zieht er vorbei, doch die Lücke zu Sagan und Vanmarcke kann er nicht schliessen. Am Paterberg, dem letzten Hindernis, schliesst er zu Vanmarcke auf. Zusammen mit dem Belgier versucht Cancellara alles. Aber er ist geschlagen. «Ich bin nicht Superman. Und was mein Kopf will, geht nicht immer auf.»
Sagan gewinnt mit 25 Sekunden Vorsprung auf Cancellara. Als Gentleman zeigt sich Vanmarcke auf der Ziellinie. Er gibt dem Schweizer ein Salut – verzichtet auf einen Sprint und überlässt ihm Rang zwei. Nach drei Siegen ist Cancellaras fünftes Podest bei der Flandern-Rundfahrt – wie einst der grosse Eddy Merckx.