Am 18. Mai 1978 steigt Eddy Merckx beim Circuit Pays de Waes für immer vom Rad. Mit bescheidenen Worten: «Ich war einer der Grössten meiner Zeit – das war alles!» Heute, am 17. Juni 2015, feiert der wohl grösste Rad-Champion aller Zeiten seinen 70. Geburtstag. Die Brüsseler Zeitung La Dernière Heure/Les Sports widmet ihm eine 60-seitige Spezialbeilage.
525 Profisiege in 13 Jahren. Ob Regen, Schnee oder Hitze – der Belgier will als Rennfahrer immer alles gewinnen. Selbst die kleinsten Kirchturmrennnen. Wegen seiner Gewinnsucht wird er bald einmal der «Kannibale» genannt.
Und wehe, ihn schlägt einer, den er nicht kennt. So wie Roli Schär (64), der Vater des heutigen BMC-Profis Michael Schär (29).Es passiert am 26. März 1976, auf der vierten Etappe der Katalanischen Woche in Spanien. In Hospitalet de Llobregat macht Roli Schär den grossen Eddy Merckx im Spurt zum Verlierer. Schär – er fährt für das Teppichgeschäft Känel – ist im Finale alleine. Merckx hat seine beiden Helfer Joseph Bruyère und Jos Huysmanns zur Seite.
Schär damals zum BLICKReporter Willy Koch: «Ich war am Hinterrad von Merckx. Aber Bruyère versuchte mich immer gegen den Strassenrand hin abzudrängen. Ich wehrte mich, und schon hundert Meter vor dem Ziel kam ich an Merckx vorbei und rettete eine halbe Radlänge Vorsprung ins Ziel.»
Tags darauf muss sich Bruyère auf Befehl von Merckx auf Schärs Velo – wegen seines langen Rahmens witzeln die Gegner über das «Geländer» – setzen. «Die Belgier konnten nicht glauben, dass man damit gewinnen kann.» Und Schär muss dann den Spruch der Belgier hören: «Hey, Grosser, hast du Schnee oben.» Nach nur einem Jahr als Profi beendet der Solothurner seine Karriere.
«Opfer eines Komplotts»
Merckx aber legt im Verlauf seiner 15-jährigen Karriere gut 600 000 km rennmässig zurück, verdient rund zehn Millionen Franken. Eine ganze Generation an Spitzenfahrern zerbricht an der Übermacht des 1,82 Meter grossen und 74 Kilo schweren Athleten.
1969 tritt er am Giro wegen eines angeblichen Dopingvergehens (Amphetamin in der Trinkflasche) die Heimreise an. «Ich war Opfer eines Komplotts. Ich weiss nicht, was passiert wäre, hätte die UCI die Sperre nicht aufgehoben», blickt er noch heute mit leichter Verbitterung auf die damalige «Affäre Merckx» zurück.
Das Jahr 1974 wird der absolute Höhepunkt. Er gewinnt nicht nur alle grossen Rundfahrten, in denen er an den Start geht: Giro, Tour de Suisse (die Startgage beträgt 23 000 Franken) und Tour de France. Er wird auch zum dritten Mal Weltmeister.
Wehmütig erinnert er sich: «Die schönsten Jahre meines Lebens verbrachte ich auf dem Velo.» Heute sitzt wieder er vermehrt auf dem Sattel. Getreu dem Leitspruch im Band 10 «Asterix als Legionär», wo Merckx als Radrennfahrer parodiert wird: «Wer rast, rostet nicht. Merckx dir!»