Drama um Ex-Radstar
Stürzt Jan Ullrich ab, weil sein Vater ein Säufer war?

Drogen, Alkohol, Übergriff auf eine Prostituierte, psychiatrische Klinik. Der ehemalige deutsche Radprofi Jan Ullrich kommt wegen seinen Alkoholproblemen und gewalttätigen Angriffen nicht aus den Schlagzeilen. Schon seine frühe Kindheit waren von Alkohol und Prügel geprägt.
Publiziert: 12.08.2018 um 10:07 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 20:51 Uhr
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Gegen Jan Ullrich wird wegen des Verdachts des versuchten Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung ermittelt.
Foto: imago sportfotodienst

Jan Ullrich ist wohl am Tiefpunkt seines Lebens angekommen. Vor zehn Tagen wurde er auf Mallorca verhaftet. Der Ex-Radprofi war auf das Grundstück seines Nachbarn, dem Schauspieler Till Schweiger, vorgedrungen und griff Gäste an. Nach einer Nacht hinter Gittern zeigte er sich einsichtig und versprach, einen Drogen- und Alkoholentzug anzutreten (BLICK berichtete).

Doch zurück in Deutschland kommt es noch schlimmer: Der 44-Jährige soll eine Prostituierte gewürgt haben (BLICK berichtete). Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts des versuchten Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung. Da er bei der Freilassung randalierte, wurde Ullrich direkt in eine psychiatrische Klinik in Frankfurt eingeliefert.

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Bruchlandung nach Rad-Karriere: Jan Ullrich sorgt für Negativschlagzeilen.
Foto: imago

«Ich war kein Wunschkind»

Alkoholmissbrauch und Prügel gehörten schon seit Ullrichs frühster Kindheit zu seinem Alltag, wie die «Bild» schreibt. «Ich war kein Wunschkind.» Das erklärt Ullrich 2004 in seiner Autobiografie «Ganz oder gar nicht» im Kapitel über seine Kindheit.

Ermittlungen wegen Totschlags und Körperverletzung
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Hat Jan Ullrich eine Prostituierte attackiert?Ermittlungen wegen Totschlags und Körperverletzung

Seine Eltern waren gerade Anfang zwanzig und hatten mit Stefan schon ein Kind. Dass Jan Ullrich ungeplant auf die Welt kam, belastete die Familie offenbar: «Es lief nicht mehr so gut in der Ehe meiner Eltern», schreibt Ullrich. «Mein Vater kam in dieser Zeit selten nach Hause.»

Werner Ullrich war Betonarbeiter, seit 1973 als Soldat der Nationalen Volksarmee in Rostock stationiert. «Manchmal zog mein Vater einen feucht-fröhlichen Abend mit Kumpels dem Besuch der Familie vor», so Ullrich in seinem Buch.

Vater verprügelte Jan Ullrich

Seine Mutter Marianne Ullrich hatte es nicht einfach. Sie studierte Landwirtschaftswissenschaft und war 21 Jahre alt, als Jan 1973 zur Welt kam. Um fünf Uhr stand sie jeweils auf, schob ihre beiden Söhne im Kinderwagen aus dem Dorf Biestorf zur zwei Kilometer entfernten Krippe in Rostock-Südstadt. Anschliessend ging sie an die Uni. Das Stipendium von 195 DDR-Mark reichte aber nicht zum Leben. Also musste sie am Abend kellnern, um genügend Geld für die Familie zusammenzukriegen. 

Denn vom Vater erhielt die Familie kaum Unterstützung, er war fast nie da. «Ich kannte meinen Vater so gut wie gar nicht», sagte Jan Ullrich einmal in einem Interview. Er erinnert sich aber an den Jähzorn und die Gewalttätigkeit des Vaters. Er selbst wurde mit sechs Jahren noch einmal heftig verprügelt. Bis heute zeugt eine Narbe am Kopf vom Übergriff. «Nur wenn ich die Haare ganz kurz trage, ist sie zu sehen. Auch eine Erinnerung an meinen Vater, die bleiben wird.»

«Einen Vater habe ich zu keiner Zeit vermisst»

Trotz der Prügel wollte Ullrich seinen Vater aber in guter Erinnerung behalten, beispielsweise wie er dem fünfjährigen Jan das Velofahren beibrachte. «Vielleicht verdrängte ich deswegen später, dass er zu viel trank, dass er oft die Kontrolle über sich verlor und dass er sowohl zu uns als auch zu unserer Mutter brutal sein konnte», schreibt er in der Biografie. «Vielleicht ist diese Fähigkeit, unangenehme Erinnerungen zu verdrängen, in der Zeit mit meinem Vater entstanden.»

Dann verschwand Werner Ullrich aus dem Leben seiner Familie – als Brüderchen Thomas auf die Welt kam. Die Geburt des dritten Kindes sei aus heutiger Sicht ein verzweifelter Versuch seiner Mutter gewesen, ihre Ehe zu retten. «Denn eigentlich wusste sie längst, dass Werner Ullrich nicht in der Lage war, sein Alkoholproblem und seine Aggressionen in den Griff zu bekommen», schreibt der Ex-Radprofi in seiner Autobiografie. 

Anfangs habe er mit den Söhnen noch an den Wochenenden etwas unternommen, nach einiger Zeit kam nicht mehr, die Weihnachtsgeschenke gab er unten in der Halle ab. Jan Ullrich schreibt: «Es ist nicht so, dass ich ihm böse bin oder ihm etwas übel nehme. Einen Vater habe ich zu keiner Zeit vermisst. Das hat meine Mutter grossartig hinbekommen.» Dennoch habe er nicht verstanden, «wie man sich so einfach aus dem Leben einer Familie davonstehlen kann».

Jan Ullrich sah seinen Vater 1993 das letzte Mal

Ein einziges Mal sah Jan Ullrich seinen Vater noch. 1993, als er ein Rundstreckenrennen auf dem Kurfürstendamm in Berlin fuhr. Kurz vor dem Start rief sein Vater aus der Zuschauermenge seinen Namen. Ullrich schreibt über diesen Moment: «Seine Augen glänzten. ‹Mensch Jan, ist das schön, dich zu sehen›, sagte er bewegt.» Der Vater kritzelte seine Telefonnummer auf einen Zettel, Ullrich steckte ihn in seine Trikottasche. Doch während des Rennens regnete es ununterbrochen. «Im Ziel war ich völlig durchnässt. Als ich später die Telefonnummer suchte, fand ich nur noch ein aufgeweichtes Stück Papier – lesen konnte man nichts mehr.»

Die beiden sahen sich danach nie wieder. Der Vater soll später allein einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein gelebt haben. Er starb 2013. (sga)

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