Die Tour de France und Fabian Cancellara. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Am 3. Juli 2004 steht der junge Berner in Lüttich am Start zum Prolog. Er ist kein Nobody mehr. Immerhin zweifacher Junioren-Weltmeister im Zeitfahren (1998/99) und Sieger der Prologe zur Tour de Romandie und Tour de Suisse 2003.
Aber hier befindet er sich in der Königsklasse des Radsports. Und seine Gegner heissen Jan Ullrich und Lance Armstrong. Auf Cancellara würde in diesem Tour-Prolog niemand auch nur einen Rappen setzen. «Die Tour de France, das war Armstrong gegen Ullrich – ich hingegen war nur einer von vielen», erinnerst sich Fabian in der Biografie des belgischen Autors Guy Van Den Langenbergh.
Cancellara fährt tatsächlich Bestzeit. Allerdings kommen die weltbesten Zeitfahrer erst noch. Doch einer nach dem anderen landet hinter dem Schweizer. «Lance ging als Letzter an den Start, ich wartete darauf, dass er mich überholte. Als mir klar wurde, dass er zwei Sekunden langsamer war als ich, weinte ich zum ersten Mal in meinem Leben Freudentränen. Plötzlich wollte die ganze Welt wissen, wer ich war und woher ich kam.»
Und die Welt soll bald erfahren, dass noch viel mehr in ihm steckt. Sieben Etappen wird Cancellara beim bedeutendsten Radrennen der Welt gewinnen. Insgesamt 29 Tage fährt er in Gelb. Rekord – unter all jenen, die nicht Gesamtsieger waren.
Seine wahre Stärke zeigt Fabian bei den Frühjahrsklassikern. Auch weil er 2005 von Fassa Bortolo ins CSC-Team von Bjarne Riis wechselt – und dort an seine physischen Grenzen geführt wird. «Das Training war für die Gesundheit bestimmt kein Spaziergang. Bei jedem Wetter waren wir draussen, auch bei Kälte und Nässe. Manchmal musste das ganze Team mitten in der Nacht aufstehen und marschieren oder segeln gehen.»
Es zahlt sich aus. Am 9. April 2006 gewinnt Cancellara zum ersten Mal Paris–Roubaix. Zwei weitere Siege folgen, ebenso wie drei Triumphe an der Flandern-Rundfahrt. Und Belgien wird so etwas wie seine zweite Heimat.
Morgen Teil 3: Doping-Vorwürfe und Enttäuschungen