Im Kinderzimmer von Stefan Küng (25) hing einst ein Kalender von Fabian Cancellara (38). «Er war eine grosse Inspiration für mich», so der Thurgauer. Schon bald aber drehte sich das Blatt. Das Rad-Talent hatte Mühe mit den ständigen Cancellara-Vergleichen. «Seit ich Profi wurde hiess es, ich sei der neue Cancellara. Und ich würde den Schweizer Radsport retten. Ich aber habe das nie gesagt. Ich wusste, dass ich meinen eigenen Weg gehen muss.»
Keine Vergleiche ziehen
Seit Sonntag ist Küng Bronze-Medaillengewinner im WM-Strassenrennen. Cancellara: «Ich gönne es Stefan von Herzen. Das erste Schweizer Edelmetall seit 20 Jahren, gigantisch! Er darf stolz sein und soll seinen Erfolg geniessen.» Gleichzeitig würde genau dieser Erfolg beweisen, wie sehr die ständigen Vergleiche der Beiden hinken. «Ich gewann in meiner Karriere viele schöne Rennen, aber Edelmetall an einem WM-Strassenrennen holte ich nie», sagt Cancellara. «Stefan ist Stefan, ich bin ich. Es wird nie einen neuen Cancellara geben, dafür haben wir einen Küng. Darüber dürfen wir uns freuen.»
Gleichzeitig weckt Küngs Husarenritt in Yorkshire (Gb) Erwartungen. Er selbst sagt: «Das gibt mir mega Selbstvertrauen für die Zukunft. Das fehlte mir zum Teil früher in den Frühjahresklassikern.» Wer nun aber meint, Küng würde deswegen künftig von der Flandern-Rundfahrt über Paris-Roubaix bis Lüttich-Bastogne-Lüttich ein Rad-Monument nach dem anderen einsacken, ist auf dem Holzweg. Davon ist Cancellara überzeugt. «Anderes Wetter, andere Fahrer, andere Teams, andere Strecken – es gibt so viele Faktoren, die sich von der WM unterscheiden werden. Wichtig ist, dass man Stefan jetzt Luft gibt. Für Fans, Verband, Medien und seinem Team gilt: Macht Stefan nicht zu viel Druck!»
Und was, sollte es doch so sein? Angst und Bange wird Cancellara jedenfalls nicht. Er kann sich nicht vorstellen, dass Küng mental zerbrechen könnte. «Stefan ist nicht mehr 20. Er hat schon viel erlebt, Gutes und Schlechtes. Das alles wird ihm jetzt helfen.»