Wer in Holland Velo fährt, hat immer eine Ausrede. Der Wind ist zu stark oder zu schwach, es ist zu kalt oder zu warm, zu nass oder zu trocken. Richtig gut, claro, ist es nur selten.
In der zweiten Tour-Etappe nach Neeltje Jans (166 km) fällt die Temperatur von 33 auf 21 Grad. Es wird ein fürchterlich harter Renntag. Doch ein «alter Mann» kommt durch und überrascht alle: Fabian Cancellara (34) trägt heute wieder einmal das Gelbe Trikot.
Er erlebt typische Tour-Wechselgefühle. Am Samstag ist er noch schwer enttäuscht. Er ist überzeugt, das Zeitfahren in Utrecht zu gewinnen – wird aber nur Dritter. Das schmerzt «Spartakus» Cancellara, der die Tour zum zehnten und letzten Mal fährt.
Cancellara will sich mit der Tour versöhnen
Denn er hat den ganzen Rummel um die Rundfahrt satt. Das Drumherum, die lange Reiserei neben den Etappen. Doch er will sich mit der Tour de France versöhnen – als junger Radprofi wollte er die «Grand Boucle» gewinnen.
Auch wenn es damals nur Träumerei war, ein Cancellara gibt nicht auf. «Ich habe mir für die zweite Etappe eine kleine Chance ausgerechnet, wenn es zum Sprint kommt.» Er kämpft bis zum letzten Tritt, stösst sein Velo über die Ziellinie – und wird wieder Dritter, diesmal hinter Sieger André Greipel (De) und Peter Sagan (Slk).
Weil es erstmals seit 2008 für die drei Erstplatzierten wieder Bonifikationen (10, 6 und 3 Sekunden) gibt, wird er neuer Leader vor Tony Martin (0:03 zur.) und dem zweifachen TdS-Etappensieger Tom Dumoulin (0:06).
Cancellara trägt heute zum 29. Mal das Leadertrikot, so lange wie kein anderer Fahrer, der nie die Gesamtwertung gewonnen hat (siehe Box). Das Verletzungspech in seiner zweitletzten Profisaison ist endlich überwunden.
Im Frühjahr brach er sich in Harelbeke zwei Lendenwirbel und verpasste die Flandern-Rundfahrt und Paris–Roubaix. Dann warf ihn eine Angina kurz vor der Tour de Suisse erneut zurück.
Ende gut, alles gut: Im Gelben Trikot ist alles vergessen.