Bschiss von hinten!
Rad-Weltverband ignoriert heisse Aerodynamik-Studie

Windschatten? Kennen wir alle. Aber: Radfahrer profitieren auch, wenn sie verfolgt werden. Das beweist eine holländische Studie.
Publiziert: 11.05.2017 um 10:55 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 16:33 Uhr
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Vorteil: Der Italiener Paolo Tiralongo fährt vor einem Motorrad – und spart somit Kraft.
Foto: Corbis via Getty Images
Mathias Germann

Kennen Sie das Situation? Sie sind mit dem Velo unterwegs und haben es eilig. Da klebt plötzlich ein anderer Radfahrer an Ihrem Hinterrad. Perfid, denken Sie. Zurecht, profitiert er doch vom Windschatten. So weit, so bekannt. Aber wussten Sie, dass Sie Ihrem Verfolger auch danken müssten? Genau! Denn: Er schiebt Sie an. Oder besser gesagt: Die Luftmasse, die er verdrängt, treibt Sie voran. Ist kein Velo-, sondern ein Töff- oder Autofahrer hinter Ihnen, profitieren Sie sogar noch mehr.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Technischen Universität Eindhoven. Deren Leiter Bert Blocken erklärt: «Mit Windkanal-Tests fanden heraus, dass es beträchtliche Vorteile für Radfahrer gibt, wenn sie nahe von einem anderen Fahrzeug verfolgt werden.» Die konkreten Zahlen: Bei einem Töff resultiert eine Kraft-Ersparnis von 8,5 Prozent, bei einem Auto sind es bis zu 14 Prozent.

Die Ergebnisse überraschen viele. Cadel Evans (40), zurückgetretener Tour-de-France-Sieger von 2011, sagt: «8 und 14 Prozent? Das ist viel.» Auch aktive Radfahrer sind erstaunt. «Das ist mir neu. Ich hätte es andersrum erwartet, sprich, dass es eine Sogwirkung von nachfolgenden Fahrzeugen gäbe», sagt Michael Schär (30) vom Team BMC. Die Konsequenz: Künftig wird er sich glücklich schätzen, solllte er bei einer Solo-Flucht von einem TV-Motorrad begleitet werden – auch dann, wenn sich dieses nicht vor, sondern hinter ihm befindet.

Korrekt im Sinne der Fairness ist aber weder das eine noch das andere. Während der internationale Rad-Verband UCI Windschattenfahren klar verbietet, dürfen Töffs ohne Mindestabstand (bei Autos sind es immerhin 10 Meter) auf Velofahrer folgen. Das kann Professor Blocken nicht verstehen. «Wir haben die UCI kontaktiert, damit sie Mindestabstände bei Motorrädern definiert und bei Autos von 10 auf 30 Metern erhöht. Auch, damit die Sicherheit der Radfahrer erhöht wird. Die UCI hat allerdings nichts unternommen.»

Auf Anfrage verweist die UCI auf die bestehenden Regeln, alles bleibt vorerst also beim Alten. Gemäss BLICK-Informationen will man das Ganze aber künftig im Auge behalten. Für Schär ist schon jetzt klar: «Man müsste die Regeln anpassen.» Nicht alle denken in diese Richtung. Für Fabio Baldato (48), sportlicher Leiter des Teams BMC, ist das aktuelle Reglement in Ordnung. «Wichtiger ist, dass die Vorschriften eingehalten werden.»

So oder so: Die Studie aus Eindhoven verändert – wenn auch noch keine Gesetze – dann doch das Denken einiger.

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