Rihs, der den mystischen Berg vor seiner Haustüre schon selber mehrmals per Velo bezwungen hat, schaut sich das Rennen auf Grossleinwand an.
«Es gibt den Galibier, den Tourmalet und viele andere Pässe. Aber zur mystischen Pilgerstätte sind nur der Mont Ventoux und Alpe d’Huez geworden», sagt Rihs. Er weiss es. Frankreich ist zu seiner zweiten Heimat geworden.
Er fiebert mit. Und erzählt die Geschichte von Richie Porte. Dem australischen Fahrer, den er vor dieser Saison zu seinem Team geholt hat und dem er den Toursieg zutraut. «Der war immer der Helfer von Chris Froome. Bei uns hat er jetzt die Möglichkeit, seine eigene Chance zu packen. Das hat er sich endlich verdient», sagt Rihs.
Porte hat wegen eines Defektes bei dieser Tour schon in der zweiten Etappe zwei Minuten verloren. «Sonst wäre er ganz nahe an Froome dran.» Aber Porte macht am Mont Ventoux einen hervorragenden Eindruck. Er kontert die Attacke von Froome. Er greift den Leader gar an. Ist es sein Tag?
Nein! Es kommt zu diesem chaotischen Unfall, es kommt zu diesem Horrorsturz, der weiter zur Legendenbildung am Mont Ventoux beitragen wird. Ein weiteres Kapitel am Berg der grossen Dramen.Porte fährt ungebremst in dieses Motorrad. Froome hinterher. Rihs verwirft die Hände. «Das sind Sicherheitsvorkehrungen wie bei einem Grümpelturnier. Das darf einfach nicht passieren», schimpft er.
Rihs macht sich Sorgen, telefoniert mit dem Teamchef. Neben Porte hat das BMC-Team mit Tejay van Garderen noch einen zweiten Anwärter auf den Gesamtsieg. Aber Richie Porte macht in den Bergen den stärkeren Eindruck. «Er ist derzeit unser bestes Pferd im Stall», sagt Rihs.
Lahmt jetzt das beste Pferd? «Vielleicht muss er aufgeben», sagt der Teambesitzer. Zumindest mit der Entscheidung der Jury ist er einverstanden. Aber ist die Tour für Porte zu Ende? «Die Sicherheit wird immer weniger gewährleistet, man hätte die letzten Kilometer mit Gittern absperren müssen. Diesen Unfall müssen sich die Organisatoren ankreiden lassen,» sagt Rihs.
Auch Richie Porte ist nach der Zieldurchfahrt untröstlich. «Das war das totale Chaos, ich konnte gar nicht mehr reagieren. Es ist einfach nicht fair», stammelt er.
Zwei Stunden später sieht die Welt von Andy Rihs und Richie Porte schon wieder viel besser aus. Schmerzen im Becken, Schürfungen, aber keine schwerwiegende Verletzung. Porte bleibt im Rennen. Und Andy Rihs ist wieder halbwegs versöhnt. Derweil sich Porte die Kalorien in Form von Fisch und Pasta und Fleisch zuführt, setzt sich Rihs neben seinen Fahrer, legt ihm die Hand um die Schulter und spricht ihm Mut zu.
Ihr gemeinsamer Traum lebt trotz dieser Schrecksekunden weiter. Der Traum des ewigen Helfers Richie Porte vom Gesamtsieg bei der Tour de France. Das ist und bleibt auch immer ein Traum von Velofreak Andy Rihs.
Ein Traum, den er sich eine schöne Stange Geld kosten lässt. Gestern wäre er beinahe geplatzt.