Tausend Kilometer am Stück will Stefanie «Steffi» Gaiser (46) auf dem Fahrrad zurücklegen. Das Ultracycling-Rennen Tortour, wobei das Wortspiel von Tortur, also Folter und der Velotour hierbei ziemlich zutreffend ist, stellt eine Herkulesaufgabe dar. Wer ist diese Steffi, die sich so etwas antut, was hat Helene Fischer damit zu tun und wie kann es sein, dass man ausgerechnet wegen einer Wette mit dem Chef an der Startlinie des «grössten mehrtägigen nonstop-ultra Cycling-Events der Welt» landet?
Drei Velos stehen bei Gaiser bereit, als Blick sie vor dem Start des Rennens in ihrer Zürcher Wohnung besucht. «Das Rote brauche ich für flache Strecken, das ist etwas schwerer und sehr aerodynamisch. Für die Anstiege brauche ich das Blaue, weil es schön leicht ist.» Gerade einmal 6,2 Kilogramm wiegt es, um genau zu sein. Das dritte Rad dient nur als Ersatz.
Weder richtig schlafen noch essen wird sie
Auf dem Tresen in der Küche stehen in Tupperwares abgepackt hartgekochte Eier und ganze Kartoffeln. Abgesehen von Flüssignahrung, wird dies das Einzige sein, was Steffi für die 50 bis 60 Stunden, die sie auf dem Sattel verbringt, zu sich nehmen wird. «Das gibt einfach die meiste Energie!» meint sie und lacht. Na ja, es muss ja nicht schmecken, sondern wirken.
Doch nicht nur was, sondern auch wann die einzige Frau, die dieses Jahr die tausend Kilometer schaffen will, essen wird, ist geplant. Die ganze Strecke haben Gaiser und ihr Team, bestehend aus ihrer Schwester, deren Frau und zwei guten Freundinnen, analysiert und aufgeteilt. Fahrradwechsel, Essens- und Schlafpausen. Alles muss durchgetaktet und bis ins kleinste Detail geplant sein. «Obwohl schlussendlich trotzdem alles von meiner Verfassung abhängig gemacht wird», räumt die Rennfahrerin ein.
Nur ein Verbot gibt es für ihre Crew, die sie im Auto Tag und Nacht begleitet: «Bloss keine Helene-Fischer-Songs!» Ob die Helferinnen sich daran halten werden, bleibt abzuwarten. Vielleicht kann ein «Atemlos durch die Nacht!» die Zürcherin auch zu neuen Rekordzeiten führen. «Nur schnell weg!» scherzt sie, als sie sich das Szenario vorstellt.
Schon das siebte Mal ist sie bei der Tortour dabei
Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass Steffi an der Tortour mitfährt. Vor sieben Jahren fuhr sie das erste Mal in einem Mixed-Team mit. «Davor war ich eigentlich Joggerin», erklärt sie schulterzuckend. Obwohl sie als New-York-Marathon-Absolventin wohl als ein bisschen mehr als nur eine Joggerin gilt.
Als im Jahr 2016 ihr Chef meinte, er helfe bei einem Projekt nur, wenn ihn jemand auf dem Velo um den Zürichsee schlagen könne, liess Gaiser sich das nicht zweimal sagen und schloss mit ihm eine Wette ab. Sie würde ihn schlagen.
Das Rennrad war schnell gekauft und dann ging es ans Trainieren. Ungefähr ein halbes Jahr später erinnerte sie ihren Chef dann an das einst geplante Rennen. Doch dieser meinte nur: «Warum sollen wir denn gegeneinander antreten, wenn wir miteinander fahren könnten?» Und so trat Gaiser zum ersten Mal an der Tortour an. Damals noch im Team, heute auf sich allein gestellt.
«Atemlos, schwindelfrei …» würde Helene Fischer wohl singen, wenn sich Steffi, von der Kunsteisbahn Küsnacht ZH aus, über einen Pass nach dem anderen quält. Als Siegerin steht sie, wenn sie – als einzige Solo-Frau über die 1000-km-Route – das Rennen beendet, schon fest. Doch tausend Kilometer müssen erstmal gefahren werden.