BLICK-Serie zur Tour de Suisse
So dramatisch verlor Alex Zülle 1995 die Rundfahrt

Eine Karriere wie eine Achterbahnfahrt. Alex Zülle (48) feierte viele Erfolge und trug die Leadertrikots aller grossen Rundfahrten. Doch es gab auch Enttäuschungen, Tränen, Stürze.
Publiziert: 06.06.2017 um 14:32 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:37 Uhr
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Alex Zülle (48) arbeitet heute zu 60 Prozent als Geschäftsführer im Fitnesscenter.
Foto: SVEN THOMANN | BLICKSPORT
Hans-Peter Hildbrand

Alex Zülle und die Tour de Suisse. Das war stets ein Alles oder Nichts. 1995 fährt er zum ersten Mal. «Ich konnte Once-Chef Manolo Saiz endlich überzeugen, statt in Katalonien die Tour de Suisse zu fahren.»

In Bellinzona sind gerade 7,1 der insgesamt 1620 Kilometer gefahren. Schon brennt das Duell: Alex Zülle gegen Tony Rominger. Die Schweiz teilt sich 1995 in zwei Lager. Wie in den 50er-Jahren, als sich Ferdy Kübler und Hugo Koblet hart bekämpften. Um 78 Hundertstelsekunden ist Alex (damals 27) besser im Prolog als Giro-Sieger Tony Rominger (34).

Zülle gewinnt auch das Bergzeitfahren auf die Schwägalp. Mit 81 Sek. Rückstand wird der unbekannte Russe Pawel Tonkow Dritter. Dann gibt Rominger auf. Ein paar Tage später ärgert sich die Schweiz und denkt: «Tonkow, wärst du doch nur in Russland geblieben...»

15 Schrauben und eine 12-cm-Platte im Schlüsselbein

Auf der Königsetappe von Zug nach La Punt im Oberengadin fährt Tonkow früh in einer Ausreissergruppe mit. «Kein Problem», meldet Teamchef Manolo Saiz. Zülle glaubt ihm, was sein Untergang ist. Auf der Albula-Passhöhe hat Alex 1:41 Minuten Rückstand auf den Russen. Aus der Traum – nach 7 Tagen im Goldtrikot verpasst er den Gesamtsieg um elf Sekunden. 

1997 gibt er auf. Gegen Mittag stürzt er in Contone TI, zehn Stunden später die Operation in Barcelona und 18 Stunden nach der Operation trainiert er bereits wieder auf der Rolle. Noch heute trägt er das Souvenir mit sich: 15 Schrauben und eine 12 cm lange Platte im linken Schlüsselbein.

Im Sommer 2001 taumelte er im Zickzack die Tremola am Gotthard hoch. «Das Ende eines Champions» titelte der SonntagsBlick – und hatte Unrecht. Ein Jahr darauf siegt er als Leader einer schwachen Coast-Mannschaft.

Zülle gibt stets alles. Mit seinem Talent, seinem Willen. Er gibt nie auf. Die Sperre nach dem Festina-Dopingskandal 1998 sitzt er ab. Drei Monate nach seinem Comeback wird er Zweiter der Tour de France.

Alex Zülle kam spät zum Radsport. Ihm fehlte die Grundschule. Er galt als der Sturzpilot im Feld. Doch mit seiner Klasse und seinem unbändigen Willen stand er immer wieder auf.

Heute arbeitet der 48-Jährige zu 60 Prozent als Geschäftsführer bei «update Fitness» im Thurgauer Kantonshauptort Frauenfeld. Er führt zehn Mitarbeiter. «Ich muss noch viel lernen», gibt er zu. Daneben hat er noch zwei weitere Standbeine: Er leitet jedes Jahr Veloferien im Südtirol und in Spanien und berät Radprofis aus Belgien, Holland und Spanien.

Und was ist mit Velofahren? «Nach dem Ende meiner Profikarriere trainierte ich zwei Jahre ab, dann hatte ich die Schnauze voll», erinnert er sich. Vor zwei Jahren hat er wieder mit dem Fitnesstraining angefangen. «Auf dem Velo fahre ich so, dass es nicht mehr weh tut.»

Am Samstag startet die Tour de Suisse 2017. BLICK schaut in einer Serie auf Helden, Dramen und grosse Siege der Schweizer Radstars an unserer Landesrundfahrt zurück. Am Mittwoch: Pascal Richard.

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