BLICK-Serie zu Kübler: Teil 2
Ferdy lässt sich nicht schmieren

Auf dem Zielstrich löst Kübler den rechten Pedalriemen. Er ist Weltmeister. «Es war ein magistraler Spurt, von dem man noch in fernen Zeiten reden wird», schreibt 1951 der «Sport».
Publiziert: 03.01.2017 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 05.10.2018 um 06:03 Uhr
1/4
Ziel erreicht: Ferdy löst den Pedalriemen – Magni (l.) ist beim WM-Strassenrennen 1951 in Varese geschlagen.
Foto: RDB
Hans-Peter Hildbrand

Ein halbes Jahrhundert nach seinem WM-Triumph steht Ferdy «National» Kübler im italienischen Varese an der Stätte seines grössten Erfolges. Die zehn Meter breite Zielgerade, die sie extra für diesen 2. September 1951 bauten, gibt es nicht mehr. Aber er weiss noch genau, wo der Zielstrich war. Und zeigt auf das Gras der Pferderenn-bahn. Seine Augen leuchten. «Hier habe ich den Italiener Fiorenzo Magni im Spurt geschlagen. Am 2. September 1951, frühabends um halb sieben.»

«Schönes Stöfflein, Rik, feines Stöfflein. Das will ich auch einmal.» So nervt Ferdy Kübler 1950 seinen Freund Rik van Steenbergen. Der Belgier trägt als amtierender Weltmeister bei jedem Rennen das seidene Regenbogentrikot. Ein Jahr später hat der 32-jährige Ferdy Kübler nur ein Ziel: den WM-Titel auf der Strasse. Er verzichtet auf 40 000 Franken Antrittsgelder, leicht verdientes Geld der Tour-Kriterien. Sechs Wochen lang dauert seine Vorbereitung auf das WM-Rennen. Jeden zweiten Tag fährt er die 200 km von Adliswil über Altdorf zum Klausenpass und über Glarus zurück nach Adliswil.

«Um 19 Uhr ging ich schlafen. Tagwache war um 04.30 Uhr.» Am 31. August reist er mit dem Auto ins Tessin. Trotz grosser Hitze bleiben die Fenster geschlossen. Auf dem Gotthard zieht er seine langen Unterhosen an. Er will sich nicht erkälten. Er wohnt nicht im Hotel. Er übernachtet im Haus seines Freundes und Helfers Emilio Croci-Torti. Isst abends vor dem Rennen Minestrone, Filet und Reis. Er geht früh ins Bett, um 5.30 Uhr wird er geweckt.

«Voglio vincere io!»

Um 10.02 Uhr starten die 46 Fahrer aus zehn Nationen. Über 12 Runden zu 24,6 km. Pro Runde 6,8 km Steigung. Ferdy führt mit sich Selbstgespräche. Er gibt sich selbst Anweisungen. «Ferdy aufpassen! Ferdy essen? Ferdy Vorsicht!» Als er im Finale in der Spitzengruppe fährt, beginnt das Spiel. «Sprechen wir! Parliamo!», jammern die italienischen Profis. Magni will gewinnen, sich auf die gleiche Stufe wie die legendären Fausto Coppi und Gino Bartali hieven. «Quanto voi? Wie viel willst du?» Doch Kübler verkauft nichts. «Ich will gewinnen! Voglio vincere io!», antwortet er.

Nach achteinhalb Stunden (295 km) die letzten Meter auf der Pferderennbahn in Varese. Nur für die WM haben die Italiener eine zehn Meter breite Strasse gebaut. Kübler gewinnt den Spurt mit Längen vor den Italienern Fiorenzo Magni und Anton Bevilacqua. Noch auf der Ziellinie öffnet er seinen rechten Pedalriemen. Hinter ihm verzieht Magni das Gesicht – Italien ist seit 1932 ohne Weltmeister.

Aber die Italiener verehren «il svizzero». Später schenken sie Ferdy die Strassenplatten mit dem Zielstrich. «Was wollte ich mit der Palette voller Steine. Ich gab sie Leo Rennhard, meinem Freund.» Der transportiert sie nach Unterbäch VS. Dort zierte die Ziellinie die Treppe im Garten seines Chalets.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?