Bike-Legende Schurter trifft Rad-Phänomen Pidcock
«Als ich noch ein Kind war, warst du schon der Grösste»

Das gibts selten. Zwei Rivalen reden mit viel Respekt für die beispiellose Karriere des anderen ungezwungen miteinander. Das Generationen-Gipfeltreffen der Zweirad-Stars Nino Schurter und Tom Pidcock.
Publiziert: 07.06.2023 um 20:44 Uhr
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Aktualisiert: 08.06.2023 um 14:43 Uhr
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Ungezwungenes Treffen in Chur: Nino Schurter und Tom Pidcock sind beide Mountainbike-Olympiasieger.
Foto: ubupix.com
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Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Sie sind beide Mountainbike-Olympiasieger. Nino Schurter (37) triumphierte 2016 in Rio, Tom Pidcock (23) siegte in Tokio 2021. Aber noch nie haben der zehnfache Weltmeister aus dem Bündnerland und der britische Velo-Superstar einfach mal so miteinander geplaudert. Auch, weil Multitalent Pidcock in erster Linie Strassenrennen fährt. Dieses Wochenende startet er in Einsiedeln zur Tour de Suisse, während Schurter in der Lenzerheide seinen Heim-Weltcup bestreitet.

Blick lädt die beiden Bike-Grössen zum Gipfeltreffen. «Bisher haben wir uns nur auf dem Podest getroffen», sagt Pidcock, als er an einem Mai-Samstag im Museumscafé in Chur ankommt. Das Multitalent aus England wird am Tag darauf bei der ÖKK Bike Revolution die Weltcup-Hauptprobe gewinnen und sieben Tage danach auch den Weltcup-Auftakt in Tschechien.

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«Du hast ein intensives Leben. Als Familienvater kann ich mir das nicht vorstellen.»
Nino Schurter zu Tom Pidcock
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Zukunftsmusik. Als in einem Hinterzimmer Schurter seinen Latte Macchiato und Pidcock ein Wasser vor sich haben, ist der Rummel vom Rennplatz weit weg. Zwei Champions lernen sich ganz neu kennen.

Pidcock: Ich starte mit der wichtigsten Frage. Wo ist dein Helikopter?

Schurter: (lacht) Ich habe leider keinen eigenen.

Pidcock: Aber du kannst fliegen?

Schurter: Ja, ich könnte dich auf einen Rundflug mitnehmen und dir die Schweizer Berge von oben zeigen. Wenn du dich traust, einzusteigen.

Pidcock: Nächstes Mal gerne.

Schurter: Danke übrigens, dass du in Chur dabei bist (Schurter ist Mitorganisator der Bike Revolution, d.Red.). Es ist ein spezielles Rennen, es findet hauptsächlich in der Stadt statt und nicht in der Natur.

Pidock: Gibt es deshalb hier so viele Kidsrennen?

Schurter: Ja, die City bietet sich an dafür. Meine Tochter war auch dabei.

Pidcock: Sie hat doch sicher gewonnen?

Schurter: (lacht) Nein, sie war einfach happy, als sie im Ziel war. Ob als Erste oder nicht, spielt für sie überhaupt keine Rolle.

Nino Schurter persönlich

Der Bündner Nino Schurter (37) ist eine lebende Mountainbike-Legende. Seine zehn WM-Titel sind Rekord. Besitzt einen ganzen Olympiamedaillensatz inklusive Gold aus Rio 2016. Achtmal gewinnt Schurter den Gesamtweltcup. Siegt er ein 34. Mal im Weltcup, ist er alleiniger Rekordhalter. 2017 legt er die perfekte Saison mit lauter Siegen bei jedem Start hin, damit wird Schurter Schweizer Sportler des Jahres. 2017 und 2019 gewinnt er zudem das Cape Epic, das berühmt-berüchtigte Etappenrennen in Südafrika. Schurter lebt von seiner Frau Nina getrennt, das Paar hat Tochter Lisa (7). Er besitzt die Helikopter-Lizenz für Privatpiloten.

Der Bündner Nino Schurter (37) ist eine lebende Mountainbike-Legende. Seine zehn WM-Titel sind Rekord. Besitzt einen ganzen Olympiamedaillensatz inklusive Gold aus Rio 2016. Achtmal gewinnt Schurter den Gesamtweltcup. Siegt er ein 34. Mal im Weltcup, ist er alleiniger Rekordhalter. 2017 legt er die perfekte Saison mit lauter Siegen bei jedem Start hin, damit wird Schurter Schweizer Sportler des Jahres. 2017 und 2019 gewinnt er zudem das Cape Epic, das berühmt-berüchtigte Etappenrennen in Südafrika. Schurter lebt von seiner Frau Nina getrennt, das Paar hat Tochter Lisa (7). Er besitzt die Helikopter-Lizenz für Privatpiloten.

Blick: Tom, Sie waren auch noch ein Kind, als Nino schon im Weltcup war.

Pidcock: Als Kind bin ich auf der Strasse gefahren, aber so um 2012 habe ich viel Mountainbike auf Youtube geschaut. Nino, du warst schon damals der GOAT.

Schurter: Danke, das ist schön zu hören.

Tom Pidcock persönlich

Thomas «Tom» Pidcock (23) ist das Velo-Multitalent aus Leeds. Olympiasieger auf dem Mountainbike 2021. Weltmeister im Radquer 2022. Diesen Frühling der zweite Rang bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, Sieg bei der Strade Bianche. Bei der Tour de France 2022 gewinnt er die Etappe auf die Alpe d'Huez. Auch Mountainbike-Europameister 2022 und Weltmeister auf dem Elektro-Mountainbike 2020 ist er. Pidcock lebt mit seiner Lebenspartnerin in Andorra, wo auch 16 weitere Fahrer seines Ineos-Teams daheim sind.

Thomas «Tom» Pidcock (23) ist das Velo-Multitalent aus Leeds. Olympiasieger auf dem Mountainbike 2021. Weltmeister im Radquer 2022. Diesen Frühling der zweite Rang bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, Sieg bei der Strade Bianche. Bei der Tour de France 2022 gewinnt er die Etappe auf die Alpe d'Huez. Auch Mountainbike-Europameister 2022 und Weltmeister auf dem Elektro-Mountainbike 2020 ist er. Pidcock lebt mit seiner Lebenspartnerin in Andorra, wo auch 16 weitere Fahrer seines Ineos-Teams daheim sind.

Pidcock: Ich habe ausser dir gar nicht viele andere Biker gekannt.

Schurter: Wenn ich an 2012 denke: Ich hatte ein Hardtail (ohne Hinterradfederung, d.Red.) mit kleinen 26-Zoll-Reifen. Eine Strecke wie Nove Mesto damit zu fahren, kann man sich gar nicht mehr vorstellen.

Pidock: Und heute vergolden sie dir dein Bike sogar!

Schurter: (lacht) Es ist schon cool, ein solches Modell zu bekommen. Bei meinem aktuellen Bike hat mir Sram sogar auf einzelnen Kettengliedern alle zehn WM-Titel eingraviert.

Ihr seid beide Olympiasieger. Wer ist in der Heimat berühmter?

Pidcock: Als ich aus Tokio zurückkam, war es schon ein Thema. Grossbritannien hatte zwar 22 Goldmedaillen geholt. Aber ich war Teil des Golden Monday, es gab dreimal Gold an einem Tag. Ich habe realisiert, dass Olympia in der Öffentlichkeit grosse Bedeutung hat. Im Gegensatz zu Medaillen an der Rad-WM, für die interessieren sich nur die Insider.

Schurter: Olympia-Gold bleibt für immer. Dazu kommt, dass Schweizer Goldmedaillen bei den Sommerspielen aussergewöhnlich sind.

Wie sehr verfolgt ihr euch gegenseitig?

Schurter: Ich geniesse es, ein Strassenrennen zu schauen, wenn du oder Mathieu van der Poel dabei sind, die ich als Gegner sehr gut kenne. Dein Sieg bei der Strade Bianche war sehr cool. Man hat gesehen, dass dir dort die Skills vom Mountainbike geholfen haben.

Pidcock: Danke. Das denke ich auch. Bergab auf Schotter konnte ich die Lücke aufmachen, da hätte man auch heftig stürzen können. Die Rennen im Mountainbike-Weltcup schaue ich alle.

Schurter: Was ist eigentlich deine Lieblingsdisziplin?

Pidcock: Radquer ist es jedenfalls nicht, weil ich dort viel Training brauche, bis ich wieder schnell bin. Wenn ich zwischen Mountainbike und Strasse wählen müsste, wäre es aber eher Strasse.

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«Ich habe ausser dich gar nicht viele andere Biker gekannt.»
Tom Pidcock zu Nino Schurter
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Schurter: Ich bin enorm beeindruckt, wie du alles unter einen Hut bringst.

Pidcock: Ich wechsle ja nicht jede Woche die Sparte. Im Winter Radquer, dann den ganzen Frühling nur auf der Strasse. Nun im Mai gab es einen Block Mountainbike, bevor ab Juni die Rundfahrten kommen.

Schurter: Du hast ein intensives Leben. Als Familienvater kann ich mir das nicht vorstellen.

Pidcock: Ich könnte es mir sicher einfacher machen (lacht). Aber ich spüre, dass ich von der harten Arbeit im Radquer in der Strassensaison profitiere.

Nino, mit Tom mischt der Bike-Olympiasieger den Strassensport auf. War der Umstieg für Sie nie ein Thema?

Schurter: Ich bin mit dem Mountainbike aufgewachsen und habe dann jung schon Erfolge feiern können. Als Kind bin ich nie Strassenrennen gefahren. Dazu kommt, dass Umstiege früher generell kein Thema waren.

Pidcock: Es war früher weniger akzeptiert. Die Strassenteams haben ihre Fahrer gar nicht Mountainbike fahren lassen. Und umgekehrt.

Schurter: Ein guter Punkt. 2014 hatte ich die Gelegenheit, die Tour de Romandie und die Tour de Suisse zu fahren. Da spürte ich im Feld viel Abneigung. Man blaffte mich an: Was hast du hier verloren? Das hat sich stark verändert. Aber es sind zwei Welten geblieben.

Pidcock: Absolut. Auf der Strasse bleiben die Teams mehr unter sich, es gibt mehr Druck. Es geht um mehr Geld. Im Mountainbike ist es familiärer. Es ist die schönere Welt.

Schurter: Welche Bike-Rennen fährst du diese Saison?

Pidcock: Das nächste ist die WM im August. Dann den Weltcup in Andorra und zum Saisonende eventuell noch die beiden in Nordamerika.

Kämpft ihr an der WM in Glasgow und 2024 in Paris gegeneinander um die Medaillen?

Schurter: An der WM hoffentlich. Paris macht für mich nur Sinn, wenn ich wirklich spüre, dass ich nochmals ganz vorne dabei sein kann.

Pidcock: Wie viele WM-Titel hast du nochmals?

Schurter: Zehn, dazu zwei U23 und einer bei den Junioren.

Pidcock: Okay, wow. Glasgow wird sicher grossartig. Ich kann auch das Strassenrennen fahren, weil es nach dem Bike stattfindet.

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