Lance Armstrongs hell leuchtender Stern am Radsport-Himmel ist nach seinem umfänglichen Doping-Geständnis 2013 endgültig verblasst. Akzeptieren möchte dies der Amerikaner aber nicht. Noch immer wehrt er sich gegen seinen geschädigten Ruf – und ist bemüht darum, auf keinen Fall in Vergessenheit zu geraten. Aus diesem Grund nimmt er in der neuen Doku «LANCE» einen weiteren Anlauf, reinen Tisch zu machen. Er verspricht: «Meine Wahrheit ist so, wie ich sie erinnere.» Und so erinnert er sich …
Bevor er als Dopingsünder in Ungnade fiel, galt Armstrong in den USA als Volksheld. Mit 25 Jahren an Hodenkrebs erkrankt, zeigte er dem Tod den Mittelfinger und machte sich auf, sieben Tour-de-France-Triumphe in Folge einzufahren. Eine Heldengeschichte, wie sie normalerweise nur in Märchen und Hollywood-Filmen erzählt wird.
Schon früh griff er zum Doping
Doch dass Armstrong überhaupt Krebs bekam, könnte mit der Einnahme von verbotenen Substanzen zusammenhängen. «Als ich mit 21 Jahren Profi wurde, begann ich, mich mit Kortison zu dopen», gesteht der gefallene Rad-Star. So ging es vier Jahre lang weiter, bis er ein neues Wundermittel entdeckte. Armstrong: «1996 experimentierte ich mit Wachstumshormonen. Ich dachte: ‹Wenn es etwas Gutes gibt, dass in meinem Körper wachsen soll, dann tut es das dadurch.› Rückblickend könnte es aber auch sein, dass die Hormone das Wachstum von etwas Schlechtem förderten.» Und prompt folgte im Oktober des selben Jahres die Krebsdiagnose.
Das Verrückte: Anstatt aus der Nahtod-Erfahrung seine Lehren zu ziehen und von leistungssteigernden Mitteln die Finger zu lassen, legte er mit dem Dopen nun erst richtig los. Sein Siegeshunger und Streben nach Macht kannten keine Grenzen. Die Schuld dafür gibt sich Lances Stiefvater Terry. «Ohne mich wäre Lance nicht der Champion, den er heute ist. Ich habe ihn wie ein Tier behandelt», offenbart er. Schläge seien an der Tagesordnung gewesen, so Lance. Ob ihm dadurch das Betrügen und Schikanieren von seinen Mitmenschen in die Wiege gelegt wurde?
Fakt ist: Betrügen und Erfolg gingen für Armstrong schon immer einher. «Als Teenager habe ich meine Geburtsurkunde gefälscht, um an solchen Wettkämpfen teilnehmen zu können, wo ich alle schlug», erklärt er. Seinem ehemaligen Triathlon-Trainer Rick Crawford soll zudem vom ersten Tag an Armstrongs mobbende Ader aufgefallen sein.
«Ich könnte Floyd Landis sein»
Von seiner einschüchternden Art machte Armstrong jahrelang gnadenlos Gebrauch, um seine Macht im Peloton aufrechtzuerhalten. Potenziellen Verrätern wie Christophe Bassons und Filippo Simeoni machte er das Leben zur Hölle. Auch die ehemaligen Teamkollegen Frankie Andreu, Tyler Hamilton und Floyd Landis bekamen seinen Zorn zu spüren.
Landis war es, der 2010 vollumfänglich über Armstrongs Machenschaften auspackte und ihn somit in den Ruin trieb. Deshalb verbindet den Texaner mit Landis einen ganz besonders tiefen Hass, welcher bis heute deutlich zu spüren ist. «Ganz ehrlich, es könnte noch viel schlimmer sein», sagt Armstrong und fügt an: «Ich könnte Floyd Landis sein. Jeden Tag müsste ich dann als absolutes Arschloch aufwachen.»
Er selber schlafe hervorragend und könne gut mit sich leben. Auch wenn er weiss, dass viele Fans ihm seine Taten wohl nie vergeben werden. «Alles was ich tun kann, ist, mich bei allen zu entschuldigen und weiterzugehen. Und ich hoffe, dass das andere auch können», sagt der 48-Jährige.
Der erste 30-minütige Teil der neuen Doku über Lance Armstrong wird am 24. Mai auf dem US-Sender ESPN ausgestrahlt, gefolgt von der zweiten Folge am 31. Mai. (jk)