Die ESPN-Dokumentation «LANCE» über das Leben und die Betrügereien des gefallenen Ex-Radprofis Lance Armstrong wirft auch nach der Veröffentlichung des zweiten Teils ihre Wellen.
Der 48-Jährige komme darin viel zu gut weg, findet Betsy Andreu. Die Ehefrau von Armstrongs ehemaligem Teamkollegen Frankie Andreu war eine der Kronzeuginnen im Dopingprozess gegen den Texaner. «Ist es in Ordnung, wenn ein Mann die Welt erobert, aber dafür seine Seele verliert? Sie sollten nicht alles glauben, was er sagt», sagt Andreu in einem CNN-Interview über Armstrong.
Tatsächlich vermittelt die Dokumentation das Bild eines geläuterten und reumütigen Betrügers, der damals unter den Dopingsündern im Radsport nur einer von vielen gewesen sein will. Und genau damit hat Andreu ein Problem: «Armstrong merkt gar nicht, welchen Schaden er den Leuten zugefügt hat. Und es ist ihm auch egal. Er hat einfach die Verehrung der Fans und das Medienrampenlicht vermisst. Das alles will er sich mit der Doku zurückholen. Er ist eine verlorene Seele. Nur weil er sich entschuldigt, ist nicht plötzlich alles wieder gut.»
Die Verbitterung von Betsy Andreu ist verständlich: 1996 sind sie und ihr Mann Frankie im Spital dabei, als Armstrong vor einer Krebsbehandlung erstmals Doping zugibt. Eine Episode, die das Ehepaar 2005 unter Eid bestätigt. Fortan leiden die Andreus unter Armstrongs Einschüchterungen und Drohungen. Sie erhalten anonyme Telefon-Anrufe, fühlen sie zuhause nicht mehr sicher. Erst 2012, als Armstrong seine sieben Gesamtsiege an der Tour de France aberkannt werden, zahlt sich der Kampf der Andreus gegen den Dopingsünder aus.
Betsy Andreu hatte befürchtet, dass diese manipulative Seite Armstrongs in der Doku – auch auf Kosten seiner Krebs-Stiftung – zu kurz kommen würde. «Lance will mit dem Film seine Geschichte neu formulieren. Er ist sehr charismatisch und weiss, wie der Leute für sich gewinnt.» Genau aus diesem Grund wollte Andreu anfänglich nicht in der Doku aussagen, tat es dann aber doch. «Wenn er den Film schon mit seinen Lügen färbt, färben wir ihn mit der Wahrheit.» (red)