Chris Froome (33) schweigt nach der Zieleinfahrt auf Alpe d’Huez. Er ahnt wohl, dass ein Interview die Situation nur verschärfen würde. Schliesslich ist er für viele ein Doper, den man längst hätte sperren müssen. Und sein schwerreiches und dominantes Team Sky der Inbegriff des Bösen.
Froomes Teamkollege Geraint Thomas (32) dagegen spricht. Er könne damit leben, wenn sie ausgebuht würden, «aber habt ein bisschen Anstand und bespuckt und berührt uns nicht». Genau das widerfährt Froome. Ein Zuschauer greift ihn im Aufstieg an, schlägt ihm mit der Hand an die rechte Schulter. Während der vierfache Tour-Sieger unverletzt bleibt, wird der Mann von der Gendarmerie gestellt. Was aber, falls es nicht bei einem Klaps bliebe?
So wie bei Eddy Merckx im Jahr 1975 am Puy de Dôme. Hunderte französische Kehlen schleudern ihm an den Kopf: «Salaud de Merde!» Dreckskerl! Der Hass-Cocktail mischt sich aus drei Teilen zusammen: Merckx ist Belgier, enorm erfolgreich und zuweilen arrogant.
Zu viel für einen Zuschauer. Er knallt Merckx, den sie wegen seiner Unersättlichkeit «Kannibale» rufen, mitten im Aufstieg die Faust in den Magen. Merckx pedalt mit Schmerzen weiter. Im Ziel erbricht er zuerst, fährt dann zurück und stellt seinen Angreifer. «Ich habe ihn nicht berührt», wehrt sich der ältere Mann mit Schnauz und Glatze. Ein Video entlarvt ihn als Lügner, mehr als eine Bewährungsstrafe gibts trotzdem nicht.
Auch mental angeschlagen
Die Folgen für Merckx sind verheerend. Er ist physisch und mental angeschlagen und verpasst den Rekord von sechs Tour-Siegen. «Zum ersten Mal hatten wir Hooligans an der Tour», erinnert sich der heute 73-Jährige. Auch Froome würde gerne auf sie verzichten.