Um 21.43 Uhr ist es so weit, und die Schweizer Delegation läuft von der Champs-Elysées herkommend in die temporär errichtete Arena auf der Place de la Concorde ein. Angeführt von den beiden Leichtathleten Elena Kratter und Marcel Hug, denen in Paris erstmals die Ehre zuteilwurde, die Schweizer Fahne zu tragen, ist die Schweiz fast zwei Stunden nach Beginn der Feierlichkeiten die 144. von 168 Nationen, welche die paralympische Bühne offiziell betreten durfte.
Insgesamt zehn Athletinnen und Athleten sowie 19 Staffmitglieder der Schweizer Delegation nehmen an der Eröffnungsfeier teil, andere verzichten aufgrund bald anstehender Wettkämpfe.
Die Symbolik des Choreografen
Nach dem Bootsspektakel auf der Seine, mit dem die Olympischen Spiele Ende Juli offiziell eröffnet worden waren, wählen die Organisatoren auch für das paralympische Pendant erstmals eine spektakuläre Szenerie ausserhalb eines Stadions, die dank des Chefchoreografen Alexander Ekman mit einer starken Symbolik aufgeladen wurde. Die Place de la Concorde als Schauplatz ist nämlich nicht zufällig für eine Show unter dem Motto «Paradoxe: De la Discorde à la Concorde».
Das Paradox einer Gesellschaft, die meint, inklusiv zu sein, aber, wie es Choreograf Ekman formuliert, «voller Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen ist.» Im Verlauf von fünf tänzerischen Darbietungen zweier Gruppen, der «Strict Society÷ und der «Creative Gang», die aus 16 Tänzerinnen und Tänzern mit Behinderung besteht, sollen sie sich einander annähern, sollen sich die Menschen ohne Behinderungen ihrer Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung bewusst werden und ihren Blickwinkel ändern auf das gesellschaftliche Phänomen Behinderung, das 15 Prozent der Weltbevölkerung betrifft. Menschen mit Behinderung wiederum sollen sich ihrer Fähigkeiten und ihrem Wert für die Gesellschaft bewusst werden, sodass eben nicht mehr eine «Uneinigkeit» (Discorde) herrscht, sondern die Gesellschaft und all ihre Bevölkerungsgruppen in «Eintracht» (Concorde) leben.
Die Revolution des Präsidenten
Andrew Parsons, der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees, spricht, passend zur mit viel Pathos inszenierten «Marseillaise», von einer «Revolution der Inklusion», die mithilfe dieser paralympischen Sommerspiele vorangetrieben werden soll.
Um 22.37 Uhr erklärt der französische Präsident Emmanuel Macron die Paralympischen Spiele für eröffnet. Eine knappe Stunde später brennt die paralympische Flamme im Jardin des Tuileries wieder und lässt den Ballon steigen, der bereits während der Olympischen Spiele jeden Abend Tausende Menschen angezogen hatte.
Bis zur Schlussfeier am 8. September im Stade de France werden in den kommenden zehn Tagen unter den rund 4'400 Athletinnen und Athleten 549 Medaillensätze vergeben. Swiss Paralympic und das 27-köpfige Team haben sich 14 Medaillen zum Ziel gesetzt.