Die tiefe Bindung und das blinde Vertrauen zwischen Pferd und Reiter in Worte zu fassen, ist schwierig. Steve Guerdat sagt es so: «Mein erster Gedanke am Morgen und mein letzter am Abend gehören Nino.» Täglich frühmorgens in seinen Stall in Herrliberg zu kommen und zu wissen, dass ihn sein Herzenspferd erwartet, sei wunderschön.
Jetzt geht die Karriere von Nino zu Ende. Am Wochenende in Genf kommt er zu seinem letzten Einsatz. Und geht nach dem GP in Pension. Schon jetzt blickt Olympiasieger Guerdat etwas wehmütig zurück. «Mit Nino am Strand von La Baule oder auf der Allmend in Frauenfeld zu galoppieren, ist unvergesslich. Unsere Zeit war voller Glücksmomente.» Und solche werden das Leben des 34-Jährigen weiterhin bereichern.
Kein Abschied
Denn auch nach dem Rückzug von Nino aus dem Spitzensport bleibt die Bindung zwischen Guerdat und Nino eng. Der 15-jährige Wallach verbringt seinen Ruhestand bei Guerdat. «Nino verabschiedet sich von Turnieren, aber ich muss mich nicht von ihm verabschieden», sagt der Jurassier glücklich. Ein dauerhaftes Adieu wäre Guerdat schwergefallen.
Vor sechs Jahren zog Nino in seine Box auf dem Rütihof. Anfänglich beschrieb ihn sein Reiter als übermütig, heute als gelassener. «Aber kaum sieht er das erste Hindernis, ist er hellwach und mutig.» Das Duo harmonierte rasch. Nino kämpft für Guerdat, Guerdat setzt den Gold-
Wallach aus Rücksicht behutsam ein. Nino – ein Phänomen, ein Genie. Die Superlative sind irgendwann ausgegangen.
Guerdat weiss: «Ohne Nino wäre ich nicht der Reiter, der ich jetzt bin. Und ich wäre nicht da angelangt, wo ich jetzt bin.» Zwei erfolgreiche Olympia-Teilnahmen mit demselben Pferd sind so selten wie speziell.
Nach seiner Stute Jalisca Solier (16), mit der er zu Team-EM-Gold (2009) und Team-Olympia-Bronze (2008) gesprungen war, hinterlässt nun Nino des Buissonnets die tiefsten Hufspuren im Herzen des sensiblen und ehrgeizigen Guerdat.
Jalisca Solier blieb nach ihrem Rückzug aus dem Sport 2013 am CSI Genf ebenfalls in Herrliberg, musste jedoch nur sechs Wochen später nach einem Weideunfall eingeschläfert werden. Calvaro (17), das bis heute wohl bekannteste Schweizer Springpferd, behielt Willi Melliger nach dessen Verabschiedung im Februar 2003 auch in seinem Stall im solothurnischen Neuendorf, musste ihn aber im selben Jahr einschläfern.
Ausreiten werden sie weiterhin
Guerdat denkt wenige Tage vor seinem letzten Auftritt mit Nino noch nicht an dessen Derniere. Er hat sich entschieden, den Wallach aus dem Spitzensport zu nehmen. Um ihn keinem Verletzungsrisiko mehr auszusetzen. Würde ihm etwas passieren, er könnte es sich nicht verzeihen.
Mit Nino ausreiten, das möchte Guerdat aber noch so viele Jahre wie möglich. Denn auch nach dem Karriereende muss dieses Spitzenpferd beschäftigt und umsorgt werden. Alles andere würde Nino nicht glücklich machen. Und Guerdat erst recht nicht.