Der 31. Juli 2015. In St. Moritz und Davos sowie in der ganzen Sport-Schweiz war dieser heutige Tag als feierlicher Jubel-Tag vorgesehen. Doch am 3. März 2013 liess das Bündner Volks-Nein den Schweizer Olympia-Traum vorzeitig platzen. Auch München, Oslo oder Stockholm haben ihre Kandidaturen nach Widerstand der Bevölkerung zurückgezogen. Die europäische Wiege des Wintersports goutiert den Gigantismus des IOC nicht mehr.
So stehen heute nur noch Almaty in Kasachstan und Chinas Metropole Peking zur Wahl. Adolf Ogi, den profunden Sport-Kenner, schauderts. «Ich habe ganz und gar keine Freude», sagt er. «China hat eine streng sozialistische Ein-Parteien-Regierung und Kasachstan ein Präsidial-System. In beiden Ländern gibts Menschenrechts-Verletzungen. Allein das stellt das IOC mit den Spielen 2022 in ein schlechtes Licht.»
Die Schuld von Jacques Rogge
Den Sündenbock für die beschränkte Auswahl sieht Adolf Ogi nicht im deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach (62). «Er hat es letztes Jahr immerhin geschafft, innerhalb des IOC die Agenda 2020 durchzusetzen, um damit in Zukunft die Olympischen Spiele weg vom Gigantismus zu führen. Aber was jetzt ansteht, das hat Bachs Vorgänger noch eingefädelt. Jacques Rogge war kein starker IOC-Präsident, ihm fehlten Kraft und Einsicht, den eingeschlagenen Kurs zu ändern.»
Für Adolf Ogi ist eines klar: «Die Wiege des Wintersports ist Europa.» Der Kandidatur Almatys, der grössten Stadt Kasachstans, hält er wenigstens zugute, dass es ein Wintersport-Gebiet ist. Berge und Wälder im engsten Umkreis und mit viel natürlichem Schnee. In Peking sei das alles nicht der Fall. «Berge sind weit weg. Es kann doch kein Argument sein, dass Peking der erste Austragungsort wird, der nach den Sommerspielen von 2008 auch Winterspiele durchführt.»
Ogi geht mit den Wintersport-Vertretern im IOC hart ins Gericht: «Gerade die Schweizer Gian-Franco Kasper und René Fasel müssten innerhalb des Gremiums mit aller Kraft dagegen kämpfen. Auch Sepp Blatter darf nicht bloss an Fussball denken. Aber sie bewirken viel zu wenig. Und in der Hitze von Kuala Lumpur Winterspiele zu vergeben, ist unverständlich.»
Dass die Schweizer Kandidatur heute nicht mehr im Rennen ist, schmerzt Ogi noch immer. «Da wurden schwerwiegende Fehler gemacht. Statt nur auf St. Moritz und Davos zu setzen, den zwei Nobelorten, denen es ohnehin relativ gut geht, hätte man Chur mit einbeziehen müssen. Eishockey- und Eiskunstlauf-Arenen auf dem Waffenplatz. Snowboard in Laax und Flims und damit die Kraft des innovativen Reto Gurtner nützen. Oder Biathlon auf der Lenzerheide. Dann hätte das Bündner Volk an der Urne wohl Ja gesagt.»