TV-Nachtvogel zum Parmelin-Wirbel
«Rudern? Nein, ich habe nur Fussball und Schiedsrichter gemacht!»

Der TV-Nachtvogel über Tennis-Wunder Puig, das ZDF und positive Tests, den Austria-Jammer, den SRF2-Flop von Steffi Buchli, einen depperten Olympiasieger – und den Song «Tränen lügen nicht!».
Publiziert: 14.08.2016 um 08:32 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:25 Uhr
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Der TV-Nachtvogel hört wie immer genau hin. Auch beim SRF-Rio-Team.
Foto: KEY
Roger Benoit

Die achte Olympia-Nacht dauerte bis am Sonntag um 05.42 Uhr. Dann hatten auch die Austria-Beachvolleyballer Huber/Seidl im Achtelfinal gegen das zu starke US-Team Dalhausser/Lucena mit 14:21, 15:21 ausgebaggert.

Die «Trauerspiele» für unseren Nachbarn auf der Landkarte und bei den TV-Studios am Strand von Ipanema gehen also weiter. Die Österreicher selbst zeigen in Rio am TV schon Grafiken, wie erfolgreich ihre sieben Nachbarländer sind. Liechtenstein natürlich ausgeschlossen.

«Wir müssen uns von den Schweizern viel Schmäh anhören. Aber wir mögen ihnen die Medaillen gönnen», sagt ORF-Moderatorin Alina Zellhofer (29).

Die Tochter eines früheren Profi-Fussballers und Trainers  hat um 22.40 Uhr einen schweren Stand. Denn auch Golf-Profi Bernd Wiesberger versagt, liegt nach drei Tagen nur an 22. Stelle. «Glauben sie am Schlusstag an ein Wunder?», fragt der Reporter. Der Millionär: «Kann ja mal passieren…» Trost bekommt er von einem der grössten Golf-Profis aller Zeiten, dem 165-fachen Turniersieger aus Südafrika, Gary Player (80). «Ich habe Bernd auf seiner Runde begleitet. Ein wunderbarer Spieler, der in die Top Ten gehört!»

Ein neuer Star ist geboren

Der Knaller beginnt um 22.45 Uhr. Tennis-Final der Damen zwischen der Australian-Open-Siegerin Angelique Kerber (28) und Monica Puig, der Weltnummer 34 aus Puerto Rico. ZDF-Reporter Aris Donzelli lässt uns bis 00.51 Uhr das tolle Spiel geniessen. Und warnt  mehrmals: «Das wird kein leichter Weg für die Deutsche!»

Er sollte Recht behalten. Wir erleben ein Weltklasse-Spiel voller Dramatik – und Donzelli muss die Kampfkraft von Puig neidlos anerkennen: «Das ist herausragendes Tennis, das die Aussenseiterin da demonstriert. Wer die Muguruza mit 6:1, 6:1 wegfegt, hat mehr als nur Talent. Sie wird bald ganz weit oben in die Weltrangliste kommen.»

Der ZDF-Mann bleibt neutral, sagt aber: «So eine hadernde Kerber haben wir noch nie gesehen.» Puig haut ihr die Bälle zentimetergenau auf alle Linien des Feldes. Sie spielt sich nach 7:5 und 4:6 im dritten Satz wie in einen Rausch, braucht aber vier Matchbälle – 6:1. Das Stadion kocht. Donzelli: «Ein neuer Stern am Tennishimmel ist geboren. Am Ende spielte sie Kerber an die Wand!» Und das Gold-Girl, das ihren Hund extra «Rio» taufte, bricht noch auf dem Platz in Tränen aus.

Wir sind jetzt richtig heiss auf den Rest der Nacht. An der Copacabana kämpfen unsere Strand-Damen Heidrich und Zumkehr gegen Holland um den Einzug in den Viertelfinal. Wir hören bei SRF2 nur an den Satzenden mit. Sascha Ruefer: «Oh, ein Netzroller – 19:21.» Zwanzig Minuten später: «Wir haben zehn Satzbälle. Das muss reichen!» 21:13…

Um 02.07 Uhr schreit dann Ruefer nach dem 15:10: «Die Schweiz hat Historisches geschafft. Noch nie stand bei Olympia ein Damen-Team unter den letzten acht.» Martin Laciga: «Ein Wahnsinn.» Ruefer: «Die Schweiz jubelt – und wir flippen aus.»

Olympiasieger ohne Stil

Das hätte im ZDF-Studio auch Moderator Rudi Cerne gerne getan. Diskus-Goldwerfer Christoph Harting hat die Einladung abgelehnt. Als Ersatz kommt der Bronze-Mann Daniel Jasinski. Cerne: «Können Sie das mehr als sonderbare Benehmen  ihres Diskus-Kollegen verstehen?» Der bleibt diplomatisch: «Ich habe eigentlich nichts mitbekommen…»

Nun, im Netz geht die Post ab. Harting, dessen Bruder Robert am Vortag in der Qualifikation scheiterte, haut nach dem Sieg eine Bande um, steht mit verschränkten Armen auf dem Podest und dreht sich sogar um. «Ich wollte eigentlich zur Hymne tanzen, aber das passte irgendwie  nicht!»

Kein Freund der Medien…

Es ist der Auftritt eines sichtlich verwirrten Sportlers. Harting läuft wortlos an allen TV-Mikrofonen im Stadion vorbei. An der Medienkonferenz geht die miese Show weiter: «Ich bin kein PR-Mann, ich will eigentlich gar nicht hier sitzen. Ich beantworte nicht gerne Fragen. Ich habe schlechte Erfahrungen gemacht.»

Cerne will die Bilder gar nicht kommentieren und sagt nur: «Christoph Harting hat sich jetzt kaum neue Freunde geschaffen. Den Rest muss er mit sich selber ausmachen!»

Die Stimmung ist angeheizt. Und geht beim ZDF im Leichtathletik-Stadion weiter. Moderator Norbert König, dem von Harting der Handschlag verweigert wurde, ist gespannt, wie der Verband reagiert.

«Über 100 Sünder in Rio»

Nun, es ist König, der dann die Kämpfe wie folgt ankündigt: «Es sind sicher über 100 Athleten in Rio, die schon mal positiv getestet wurden! Vergessen sie alles, was man sonst erzählt. Willkommen in der Welt der Doping-Märchen.»

Doping – das leidige Thema zieht sich durch Olympia 2016. Später hört man von den ebenfalls kritischen ZDF-Reportern Wolf-Dieter Poschmann und Peter Leissl: «Wir wollen gar nicht wissen, wie oft die Kontrolleure vor der Türe der Kenianer stehen!»

Es lebe die Leichtathletik…

Es ist irgendwie zum Kotzen. Denn die tolle Leichtathletik begleitet uns noch eine Woche. Im Damen-Siebenkampf siegt die Belgierin Thiam, über 10'000 Meter gewinnt der Favorit aus England, Mo Farah (trotz Sturz). Mit 8,38 Metern holt US-Star Henderson das Weitsprung–Gold. Und die Jamaikanerin Thompson ist mit 10,71 die schnellste Frau der Welt. Unsere Mujinga Kambundji scheidet um 02.06 Uhr im Halbfinal über 100 Meter als Sechste klar aus. Mit Kritik muss sie auf SRF2 nicht rechnen.

Doch beim ZDF wird meist nur gejammert. Alle drei Stabspringer scheiden sofort aus. «Ein mittleres Debakel, was ist da los? Kein Pepp im Hintern – und einer versuchte wohl mit der Latte Fussball zu spielen!»

So klingen um 04.40 Uhr beim gleichen Sender auch die Schwimmwettbewerbe aus. Bei der Bilanz von sieben Finalteilnahmen ohne Medaille (in London waren es immerhin acht ohne Edelmetall) spielt das ZDF den Song von Michael Holm: «Tränen lügen nicht!» Gezeigt werden dazu über ein halbes Dutzend plärrende Athleten und Athletinnen.

Dänin schockt Deutschland

Thomas Wark: «Über die 4 mal 100 Meter Lagen sind wir nur nicht Letzter geworden, weil China disqualifiziert wurde! Jetzt holen selbst die Dänen hier noch Gold.» Oder eben Pernille Blume mit 24,07 im 50-m-Crawl-Sprint… Später kommt für die Blondine noch eine Silbermedaille in der Staffel dazu.

Freunde, wir können uns glücklich schätzen, dass wir solche Elends-Hymnen, die jetzt eine Woche lang bei der ARD und im ZDF angestimmt wurden, nicht auf SRF2 hören müssen.

Bundesrat ruderte nicht…

Peinlich wurde es trotzdem. Moderatorin Steffi Buchli hatte Bundesrat Guy Parmelin im Studio zu Gast und sagte während des Gesprächs: «Sie sind ja früher selbst gerudert!» Der Waadtländer dazu: «Nein, ich habe nur Fussball und Schiedsrichter gemacht!»

Mit dem 5. Rio-Gold von Michael Phelps (31) über die 4 Mal 100 Meter Lagen gehen die Schwimm-Festivals um 04.20 Uhr zu Ende. Der Grösste verlässt mit seinem 23. Olympia-Gold und viel Tränen die Halle. Die Fans toben,  stehen auf. In Tokio 2020 ist Phelps höchstens als Zuschauer dabei.

Die Sportwelt sagt: Danke für alles, Michael Phelps!

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