Die Szene der Nacht um 02.09 Uhr. Martina Hingis wehrt bei 5:7, 4:5 den zweiten Matchball gegen Tschechien ab – und knallt dabei den Ball Hlavackova voll ins Gesicht. Neun Minuten Pflege. Die Spielerin torkelt aufs Feld. Danach hatten Hingis und Bacsinszky leichtes Spiel – Olympia-Final gegen Russland.
Das SRF-Duo Stefan Bürer und Heinz Günthardt plaudert sich von 00.35 Uhr bis zum Ende um 03.17 Uhr mit seinen gewohnten Sprüchen durch die drei Sätze, beklagt sich dauernd, dass fast keine Zuschauer im Stadion sind. Die schauten alle daneben beim spanischen Doppel-Triumph von Nadal/Lopez zu…
Zum Glück Feierabend…
Bei der dramatischen Szene sagt Bürer trocken: Das gibt natürlich ein paar Buhrufe. Aber es ist im Doppel erlaubt, auf den Mann beziehungsweise die Frau zu spielen.» Wie Günthardt zeigt er kein Mitleid mit dem Opfer.
Bei der Schweizer 5:2-Führung im dritten Satz sagt Bürer: «Der Fed-Cup-Captain neben mir dürfte jetzt auch etwas angespannt sein. Hoffe, du musst nicht allzu lange mitfiebern!» Es gibt das 6:2. Zum Glück, so hatten die beiden Sprach-Akrobaten Feierabend.
Olympia hat in den letzten 20 Jahren noch selten grossartige Stimmen hervorgebracht. Aber wegen einer machte der TV-Nachtvogel Überstunden und hörte auf der ARD schon etwas früher rein. Beim Dressurreiten, das jetzt wirklich nur den harten Kern mehr als eine halbe Stunde vor den Bildschirm fesselt.
Wenn Worte verzaubern
Aber bei Carsten Sostmeier (56) ist das anders. Der Goethe unter der Mikrofon-Meute zelebriert die steifen Darbietungen in der Manege. Bei der Dressur der deutschen Königin Isabell Werth (47) mit bereits 27 Goldmedaillen an Olympia, EM und WM sagt der Reporter über die Haltung der Reiterin: «Sie ist wie eine wunderbare Kerze in dieser Kathedrale des Dressursportes. Ich kann heute Nacht sicher nicht einschlafen – und wenn ich einschlafe, träume ich bis zum Morgen von dieser Darbietung. Die Göttin der Dressur ruft ihre Leistungen im goldenen Sand von Rio so ab, wie der Glockenschlag vom Big Ben in London zu erwarten ist.» Sostmeier bekam schon vor zwölf Jahren den ersten Fernsehpreis.
Na dann wieder ab in den Tempel der Floskeln. Um 22.08 Uhr melden sich Claude Jaggi und Sven Montgomery von der Mannschaftsverfolgung. «Der heutige Auftritt war minim besser als gestern», sagt Jaggi nach der klaren Niederlage gegen Deutschland. «Es ist nicht überraschend», wirft Montgomery ein. Wenigstens gewann unser Vierer gegen China im Kampf um Platz 7.
Das verpasste Siegestor
Auf der ARD gehen wir in die Schlussphase des Viertelfinals bei den Fussball-Damen zwischen Deutschland und China. Plötzlich schaltet man zum Damen-Sprint ins Radstadion – da fällt das 1:0. Reporter Bernd Schmelzer: «Sie haben das Tor in der 77. Minute knapp verpasst.» Sieben Minuten später schiesst China einen Elfmeter an den Pfosten.
Im Halbfinal trifft Deutschland auf Kanada, das Frankreich 1:0 besiegte. Im anderen Match erwartet Schweden, das nach 1:1 im Penaltyschiessen den dreifachen Olympiasieger USA ausschaltete, die Brasil-Tänzerinnen, die nach einem 0:0 gegen Australien ebenfalls erst im Elfer-Krimi siegten!
Bei der leider total medaillenorientierten ARD feiert man schon das Olympiagold für Tennis-Ass Angelique Kerber, die Madison Keys 6:3, 7:5 schlägt. Im Final traut man der Kerber-Gegnerin Puig aus Puerto Rico nichts zu. Nun, seit 1992 und Steffi Graf spielt wieder eine deutsche Spielerin um Gold.
«Ziel bleibt – 3 Medaillen»
Beim ORF rennt man weiter verzweifelt dem ersten Edelmetall nach (bisher 62 Nationen). Beim 3:1-Sieg der Austria-Damen im Tischtennis gegen Holland lässt der ORF-Mann Jubelschreie in die Heimat ertönen. Heute gehts im Viertelfinal gegen die Nummer 2, Japan. Österreichs Spitzenspielerin Liu Jia (!): «Wir müssen an uns glauben!»
Nach dem eigenen Olympia-Pfarrer traten jetzt auch OK-Präsident Dr. Karl Stoss und sein Vize, Professor Peter Schröcksnadel vor das ORF-Mikrofon. Stoss: «Im Judo, Schiessen und Kanu waren wir nahe dran. Aber knapp daneben ist eben auch daneben!» Schröcksnadel, der als Ski-Boss jeden Winter bessere Zeiten erlebt: «Unsere Zielrichtung mit drei Medaillen sollte möglich sein!» Schon in London 2012 gabs nix.
Serben schocken Amis
Bevor Hingis/Bacsinszky ihren Auftritt haben, schaltet SRF2 zum Basketball mit den NBA-Stars. Auf den 14fachen Olympiasieger USA wartete der Vize-Weltmeister 2014 und der EM-Dritte 2015, Serbien. Manuel Köng macht seine Sache gut, wirkt aber nervös, wie es die Amis erst in der Schlussphase werden.
Doch beim Stand von 94:91 vergeben die Serben einen Dreierwurf. Das Ende erleben wir zum Glück auf dem ORF. Ja, diese Nacht wurde zum grossen Zapp-Festival. Da ist immer viel Glück dabei, um wenig zu verpassen..
Die fast sichere Medaille…
Die ARD hat nach 03.30 Uhr plötzlich ein Problem. Diese Kugel-Entscheidung bei den Damen mit der «fast sicheren Medaillengewinnerin» Christina Schwanitz überschneidet sich mit den Schwimm-Finals, wo die Goldjäger Katinka Hosszu über 200 Meter Rücken und Michael Phelps über 100 Meter Delfin nur Zweite werden.
Bei der SRF2-Aufzeichnung weiss Michael Stäuble dann sofort: «Der Phelps-Bezwinger Joseph Schooling bekommt von Singapur eine Prämie von 750 000 US-Dollar. Denn dort hat man nie mit einem Olympiasieg gerechnet.» Über 800 m Crawl holt US-Star Katie Ledecky mit Weltrekord Rio-Gold Nummer 4.
Der Protest vom Mikrofon
Stäuble, sonst in der Formel 1 und beim Skispringen unterwegs, dreht dann um 04.20 Uhr beim 50-Meter-Crawl-Sprint fast durch: «Ja, es ist Anthony Ervin. 16 Jahre nach Sydney holt er wieder Gold. Er ist jetzt mit 35 Jahren der älteste Schwimm-Olympiasieger!» Seine Stimme überschlägt sich: «Entschuldigung, es hat mir gerade das Mikrofon weggespickt!»
Kurz zuvor haben wir auch erstmals unsere Sprinterin Mujinga Kambundji (24) in einem Vorlauf über 100 Meter gesehen. Sie wird mit 11,19 Dritte. Das SRF2-Duo beruhigt sofort: «Keine Sorgen, das reicht bei den Lucky Losers locker für die Halbfinals.»
«Olympia ist kein Wunschkonzert»
Und was passierte eigentlich mit mit der Kugel-Medaille von Christina Schwanitz, der deutschen Sportlerin des Jahres? Diese explodierte mit nur 19,03 Metern auf dem Weg zu Gold – nur Platz 6. Die Dame blieb gelassen und sprach das Wort zum Freitag: «Abhaken. Ein 6. Rang ist ja nicht grottenschlecht. Olympia war noch nie ein Wunschkonzert. Der Kampf um Gold war doch ein Krimi – aber leider habe ich nicht mitgespielt!» Mit dem letzten Stoss siegte die Amerikanern Michelle Carter mit 20,63 Metern.