Veteran Curtis McGrath traurig vor Paralympics
«War es der Afghanistan-Krieg wert, meine Beine zu verlieren?»

Curtis McGrath verlor im Krieg in Afghanistan beide Beine. Trotzdem war er mit sich im Reinen. Jetzt, da er sieht, was in Afghanistan passiert, leidet er wieder.
Publiziert: 26.08.2021 um 08:55 Uhr
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Curtis McGrath im Krankenhaus nach seiner schlimmsten Stunde. Der Australier verlor in Afghanistan beide Beine. Heute fragt er sich: «War es das wert?»
Foto: Facebook

Curtis McGrath schläft derzeit nicht gut. Er hadert, ist traurig. Eigentlich sollte sich der 33-jährige Australier nun voll und ganz auf die Paralympics konzentrieren, wo er als Titelverteidiger und Topfavorit in K1 (Kayak) und V1 (Kanu) auf Gold-Mission ist. Stattdessen geht ihm in den letzten Tagen immer wieder nur eine Frage durch den Kopf: «War es der Afghanistan-Krieg wert, meine Beine zu verlieren?»

Noch vor einer Woche hätte er das mit einem klaren Ja beantwortet, sagt der zehnfache Weltmeister McGrath, der erst nach der Amputation beider Beine zum Kayaksport gefunden hat. Der Veteran verlor sie während seines Dienstes in der australischen Armee in Afghanistan durch eine Minenexplosion. Mittlerweile hatte er sein Schicksal akzeptiert. Aber jetzt, nach der Übernahme der Taliban, stellt er das grosse Opfer, das er und viele andere Soldaten für einen vergeblichen Kampf gebracht haben, rundum in Frage.

Erst Trauer, dann die Wut

«Anfangs war ich traurig, dann wurde ich wütend», erklärt er. «Wir haben rund 300'000 Afghanen ausgebildet und ausgerüstet. Und nun scheint es, als hätten sie sich einfach überrollen lassen und den Taliban ihre Waffen ausgehändigt.» Seinen Veteranen-Kollegen ginge es nicht anders, so McGrath. «Es gibt gemischte Gefühle. Viele schämen sich, andere ärgern sich – und sie haben jedes Recht dazu.»

Nach einigen durchwachten Nächten, in denen er den Horror gedanklich noch einmal durchleben musste, scheint der Paralympic-Star, der gut mit Prinz Harry von Grossbritannien befreundet ist, aber doch noch Licht am Ende des Tunnels zu sehen. «Letztlich weiss ich, was ich persönlich erreicht habe.» Er habe den Terror des Aufstands gesehen, sei Zeuge der Brutalität der Taliban geworden. «Und wir haben versucht, eine bessere Situation zu erwirken.» Er würde heute gleich handeln, sagt er, und rechtfertigt sogar das Minenunglück, das ihn zum Krüppel machte. «Wäre nicht ich darauf getreten, wäre vielleicht ein Schulbus darüber gefahren.»

McGrath hat seine Vergangenheit in der Autobiografie «Blood, Sweat and Steal» (Blut, Schweiss und Stahl) aufgearbeitet, das Buch wird bald erscheinen. Vorher aber will er an den Paralymics in Tokio an seiner anderen Helden-Geschichte weiterschreiben.

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