Olympia-Pionierin und Dressurreiterin Marianne Fankhauser
«Die Männer durften uns nicht besuchen»

Marianne Fankhauser (78) war unter ihrem Ledignamen Gossweiler 1964 in Tokio die erste Schweizerin, die an Olympischen Sommerspielen teilnahm. Dass die Schaffhauserin damals nicht nur wegen ihrer Silber-Medaille Geschichte schrieb, realisierte sie erst später.
Publiziert: 24.07.2021 um 16:24 Uhr
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Aktualisiert: 25.07.2021 um 14:39 Uhr
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Marianne Gossweiler: Sie war erst 21 Jahre alt, als sie an die Olympischen Spiele 1964 reiste.
Foto: Si
Interview: Daniel Leu

Frau Fankhauser, Sie waren 1964 in Tokio die erste Schweizerin, die an Olympischen Sommerspielen teilnahm. Wie speziell war das für Sie?
Marianne Fankhauser: Ich wusste das damals gar nicht. Wir Reiter flogen nicht mit der offiziellen Delegation mit, sondern mit unseren Pferden. Deshalb fiel mir lange gar nicht auf, dass ich die einzige Frau im Schweizer Team war.

Wie muss man sich 1964 einen Flug von Zürich nach Tokio vorstellen?
Das war ein richtiges Abenteuer, zumal ich damals erst 21 Jahre alt war. Wir flogen mit einer DC-6 und mussten insgesamt fünfmal landen, um aufzutanken. Die Flüge waren sehr turbulent, bei Luftlöchern sind wir jeweils richtig abgesackt. Unterwegs hatten wir gar eine Panne und mussten deshalb stundenlang auf die Ersatzteile warten.

Wie lange waren Sie unterwegs?
Geplant waren 48 Stunden, doch wir kamen erst nach 60 Stunden am Tag der Eröffnungsfeier an. Deshalb verpassten wir diese leider.

Wer war die erste Schweizerin?

Jahrzehntelang war klar: Marianne Gossweiler-Fankhauser ist die erste Schweizerin, die an Olympischen Sommerspielen teilnahm und eine Medaille gewann. Heute weiss man: Das stimmt so nicht ganz, denn bereits 1900 gewannen das Ehepaar Hermann und Hélène de Pourtalès und ihr Neffe Bernard Gold im Segeln.

Doch weil Hélènes Name in zentralen Quellen nicht auftauchte, war lange unklar, dass sie eigentlich die erste Olympiasiegerin der Geschichte ist. Ausserdem weiss man bis heute nicht, ob sie eine aktive Rolle an Bord innehatte oder nicht.

Hélène war eine gebürtige New Yorkerin, die durch die Hochzeit mit Hermann 1891 den Schweizer Pass erhielt. Sie starb 1945 im Alter von 77 Jahren in Genf.

Jahrzehntelang war klar: Marianne Gossweiler-Fankhauser ist die erste Schweizerin, die an Olympischen Sommerspielen teilnahm und eine Medaille gewann. Heute weiss man: Das stimmt so nicht ganz, denn bereits 1900 gewannen das Ehepaar Hermann und Hélène de Pourtalès und ihr Neffe Bernard Gold im Segeln.

Doch weil Hélènes Name in zentralen Quellen nicht auftauchte, war lange unklar, dass sie eigentlich die erste Olympiasiegerin der Geschichte ist. Ausserdem weiss man bis heute nicht, ob sie eine aktive Rolle an Bord innehatte oder nicht.

Hélène war eine gebürtige New Yorkerin, die durch die Hochzeit mit Hermann 1891 den Schweizer Pass erhielt. Sie starb 1945 im Alter von 77 Jahren in Genf.

Wann haben Sie in Tokio realisiert, dass Sie die einzige Frau im Schweizer Team waren?
Das olympische Dorf war damals getrennt, es gab eines für die Frauen und eines für die Männer. Da merkte ich, dass ich die einzige Schweizerin war. Dass ich aber auch die erste Schweizerin an Sommerspielen überhaupt war, wurde mir erst später bewusst und macht mich heute schon stolz.

Durften Sie wenigstens die Männer besuchen?
Ja, die Frauen durften die Männer besuchen, umgekehrt war es aber verboten. Ich war regelmässig bei den Männern, da diese in wunderschönen Bungalows mit Garten lebten. Ich habe die Männer schon ein bisschen beneidet, da wir Frauen in Wohnblöcken lebten. Das waren fast schon Kasernen, mit Wachmännern, die Maschinengewehre bei sich trugen.

Haben Sie in Tokio im olympischen Dorf auch den Ruderer Urs Fankhauser kennengelernt, den Sie 1971 heirateten?
Nein, das war erst auf der Heimreise von Olympia 1968 in Mexiko. Damals wurde in New York ein Zwischenhalt mit Übernachtung eingelegt. Dabei sind wir uns gegenseitig aufgefallen. Wie das halt so ist. Er lud mich dann in Manhattan auf eine Flussfahrt ein. Als er die Kaffees mit einem 20-Dollar-Check bezahlen wollte, war dies nicht möglich. Also bezahlte ich. Zurück in der Schweiz rief er mich dann an und sagte, er würde sich gerne für die Kaffees revanchieren. So fing das an.

Frauenanteil an Schweizer Olympia-Medaillen

2020 in Tokio: 76,9 %
2016 in Rio de Janeiro: 57,1 %
2012 in London: 25,0 %
2008 in Peking: 17,9 %
2004 in Athen: 20,0 %
2000 in Sydney: 58,3 %
1996 in Atlanta: 14,3 %
1992 in Barcelona: 0 %
1988 in Seoul: 31,3 %
1984 in Los Angeles: 20,9 %
1980 in Moskau 0 %
1976 in Montreal: 41,8 %
1972 in München: 0 %
1968 in Mexiko: 6,6 %
1964 in Tokio: 8,3 %

2020 in Tokio: 76,9 %
2016 in Rio de Janeiro: 57,1 %
2012 in London: 25,0 %
2008 in Peking: 17,9 %
2004 in Athen: 20,0 %
2000 in Sydney: 58,3 %
1996 in Atlanta: 14,3 %
1992 in Barcelona: 0 %
1988 in Seoul: 31,3 %
1984 in Los Angeles: 20,9 %
1980 in Moskau 0 %
1976 in Montreal: 41,8 %
1972 in München: 0 %
1968 in Mexiko: 6,6 %
1964 in Tokio: 8,3 %

Sie gewannen in Tokio mit dem Team Olympia-Silber im Dressurreiten. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren Wettkampf?
Es hat oft geregnet, und wir ritten im Gegensatz zu heute noch nicht auf Sand, sondern auf Gras. Deshalb hatte es überall Löcher.

Werden Sie sich Tokio 2020 anschauen?
Selbstverständlich, ich interessiere mich nicht nur fürs Reiten, sondern auch für andere Sportarten, wie zum Beispiel die Leichtathletik. Ich werde garantiert jeden Tag vor dem Fernseher sitzen.

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Alle Schweizer Olympiasieger an Sommerspielen: Belinda Bencic, Tennis-Einzel in Tokio.
Foto: freshfocus
Olympische Sommerspiele in Tokio

Die 32. Olympischen Sommerspiele finden vom 23. Juli bis 8. August 2021 in der japanischen Hauptstadt Tokio statt. Alle Infos zur Eröffnung, Übertragung, Wettkampfterminen, Disziplinen, Neuerungen, Austragungsstätten und Maskottchen erfahren Sie in der grossen Übersicht.

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