Was machen Sie am 24. Juli?
Ralph Stöckli: Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich dann mit der Schweizer Delegation ins Olympiastadion in Tokio einlaufen werde. Aber das ist wirklich ein Bauchgefühl. Selbst die Experten können das im Moment nicht einschätzen.
Haben Sie Angst um Olympia?
Es wäre in meiner Funktion der falsche Ansatz, in Angst zu verfallen. Es ist wichtig, den Fokus zu behalten und die Spiele normal vorzubereiten. Es wäre falsch, jetzt die Handbremse zu ziehen.
In der Schweiz sind die Auswirkungen auf den Alltag durch das Coronavirus enorm. Sie waren nun in Japan zur Vorbereitung. Ist dort alles noch extremer?
Ich kann nur sagen, wie ich es als Auswärtiger erlebt habe. Und ich habe relativ wenig Unterschiede bemerkt. Die Stadt lebt nach wie vor, die Leute sind zahlreich unterwegs. Was man merkt, ist, dass mehr Mundschutze getragen werden. Aber die sind in Japan in dieser Jahreszeit sowieso verbreitet. Die Einheimischen sagen schon, dass es ruhiger sei, aber das ist kaum zu spüren. Man kriegt einfach die Massnahmen mit. Die Schulen wurden ja zum Beispiel schon im ganzen Land geschlossen.
Trugen Sie selbst Mundschutz?
Nein, wir sind da den Empfehlungen des BAG gefolgt. Und die sagen: Ist man gesund, muss man keinen Mundschutz tragen. Wichtiger ist es, die anderen Verhaltensregeln zu befolgen.
Es gab auch Berichte von Temperaturkontrollen bei der Einreise.
Ich war überrascht, wie schnell die Einreise ging. Ich habe gedacht, es könnte länger gehen, und habe mich darauf eingestellt. Die Temperaturkontrollen sind grundsätzlich nichts Neues, das gibt es weltweit oft. Zum Beispiel auch in China. Aber wenn man die Japaner fragt, ist der Alltag anders.
Ist das Coronavirus derzeit Ihre grösste Herausforderung?
Für mich persönlich ist das Virus vor allem in der Diskussion mit den Verbänden ein Thema. Die aktuell grösste Herausforderung sind die vielen Quali-Events, die abgesagt werden. Unsere Athleten haben ihre Saison geplant und darauf ausgerichtet, die Olympia-Limiten zu erreichen und selektioniert zu werden. Jetzt wird Wettkampf nach Wettkampf verschoben oder abgesagt. Das verunsichert die Sportler natürlich. Das Positive ist, dass sich das IOC dieses Problems bewusst ist. Präsident Thomas Bach hat erst gerade ein Statement abgegeben, dass man sehr offen sein und Lösungen mit den internationalen Verbänden und nationalen Komitees suchen werde.
Also werden die Hürden für eine Olympiateilnahme gesenkt?
Die Richtlinien dürften gelockert werden. Es könnten mehr Quotenplätze in den Sportarten vergeben werden. Sportler, die unter normalen Umständen selektioniert worden wären, werden wahrscheinlich zugelassen. Trotzdem: Das ist eine schwierige Situation für die Athleten.
Wie weit sind denn Ihre Vorbereitungen schon fortgeschritten?
Die wichtigsten Pfeiler sind eingeschlagen. Wir wissen, wie es vor Ort im Detail sein wird, und haben die Reiseplanungen gemacht. Das sind die wichtigen Themen. Jetzt geht es also ans Feintuning, das Team erfassen und mit Namen zu besetzen.
Dann wäre es ja schade, wenn Olympia abgesagt wird. Könnten Spiele denn jetzt aus Ihrer Sicht stattfinden?
Da bin ich zu wenig Experte. Da stützen sich aber auch das IOC und das OK stark auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. Das ist ausserhalb unserer Kompetenz. Am Schluss geht es um den Schutz der Teilnehmer. Das hat höchste Priorität.
Sie sprachen die Planungsunsicherheit der Sportler an. Gibt es auch gesundheitliche Bedenken?
Ich bin ja nicht direkt in Verbindung mit den Sportlern, sondern viel mehr mit den Verbänden. Und da gibt es sicher eine gewisse Unsicherheit. Auch wegen all den Events wie Schweizer Meisterschaften, aber auch internationale Wettkämpfe, die nicht durchgeführt werden können.
Zuletzt verzichteten Marcel Hug oder Manuela Schär auf den Tokio-Marathon. Denken Sie, dass Sportler von sich aus eine Olympiateilnahme absagen würden?
Wenn die Situation sich verschärft, gehe ich davon aus, dass es einen Grundsatzentscheid braucht, ob die Spiele überhaupt stattfinden. Sollten sie stattfinden und die Situation ist immer noch heikel, dann ist es vergleichbar mit dem Zika-Virus in Rio 2016. Dann wird jeder Athlet für sich entscheiden müssen. Und je nachdem, wie gross die Unsicherheit sein wird, könnte dieser Fall tatsächlich eintreten. Aber wenn die Gesundheit der Athletinnen und Athleten auf dem Spiel stehen sollte, kann ich mir nicht vorstellen, dass das IOC Olympia durchführen wird.
Wie halten Sie die Olympioniken auf dem Laufenden?
Auf das Intranet haben alle Zugriff, da legen wir jeweils das Wording fest. In regelmässigem Austausch sind wir aber mit den Verbänden, und die steuern die Kommunikation mit den Sportlern.
Was wird da kommuniziert?
Wir stützen uns an die Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit. Wir sind täglich am Überwachen, geben Empfehlungen ab. Zum Beispiel über Risikogebiete, wie man sich verhalten und welche Massnahmen man treffen soll. Dazu natürlich, wie der Einfluss des Virus auf nationaler Ebene ist und wie es international aussieht.
Wie wichtig ist ein Seuchenfall grundsätzlich in Ihrer Planung? Sie erwähnten ja bereits Zika in Rio, oder in Pyeongchang war das Norovirus ein Thema.
Wir haben das ganze Thema Krisenmanagement relativ gut aufgebaut. Die Delegation kann von jeglicher Art und Form einer Krise getroffen werden. Da sind viele Szenarien, die aber dann schwierig auf eine spezifische Situation herunterzubrechen sind.
Japans Olympia-Ministerin sprach sogar davon, dass man die Spiele bis Ende Jahr verschieben könnte. Wäre das organisatorisch überhaupt möglich?
Das ist eine schwierige Frage, ich bin gar nicht in der Lage, sie zu beantworten. Aber der internationale Sportkalender ist so dicht gefüllt, dass es sicher eine riesige Herausforderung wäre.
Ist das Krisenmanagement für Sie ein grösseres Thema als bei anderen Olympia-Missionen?
Bei jeder Mission gab es zuletzt grosse Herausforderungen. In Rio war es Zika, auch ganz kurz vor den Spielen noch. Auch da war von einer Absage die Rede. Pyeongchang war politisch sehr heikel. Aber das Schöne ist: Die Spiele haben so eine Kraft, die Motivation ist überall spürbar. Die olympische Familie muss zusammenstehen und zusammen Lösungen suchen. Damit wir die Vorbereitungen durchziehen können und man dann bereit ist.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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Die 32. Olympischen Sommerspiele finden vom 23. Juli bis 8. August 2021 in der japanischen Hauptstadt Tokio statt. Alle Infos zur Eröffnung, Übertragung, Wettkampfterminen, Disziplinen, Neuerungen, Austragungsstätten und Maskottchen erfahren Sie in der grossen Übersicht.
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